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Samstag, 28. Juni 2014

Nur mal kurz die Welt retten - funktioniert leider so nicht... - 2. -sonntag nach Trinitatis, 29.06.2014

Text: 1. Korinther 9,16-23



Liebe Gemeinde!
„Mein Lohn ist, dass wenigstens einige gerettet werden!“ – So versteht Paulus das, was er ehrenamtlich und mit dem Einsatz seines ganzen Lebens tut. Er lässt sich seine Rettungstat nicht bezahlen.
Jetzt gibt es ja ganz viele Arten, Menschen zu retten. Ich denke an die Männer und Frauen, die sich ehrenamtlich in der Feuerwehr engagieren. Sie lassen sich aus- und fortbilden, haben sicher hoffentlich auch oft Spaß an ihrer Sache, aber es ist doch ihre Zeit, die sie einbringen und vor allem: Wenn es hart auf hart kommt, bei Unfällen, bei Bränden, dann geht es oft bis an den Rand der eigenen Körperkräfte und manchmal auch an den Rand dessen, was die eigene Seele ertragen kann. Ich denke an Menschen, die sich ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe engagieren. Da geht es vielleicht nicht um körperliche Rettung, aber manchmal ganz einfach auch darum, Menschen vor der Einsamkeit zu retten oder davor, ein Leben fernab der vertrauten Heimat und Kontakte führen zu müssen. Oder es geht darum, eine Familie am Rand des Zusammenbruchs zu entlasten, weil jemand für die Kinder oder als Ansprechpartner da ist.
Ich denke an Menschen, die sich ehrenamtlich in der Begleitung von Sterbenden, in Hospizdiensten, in der Arbeit der Tafeln, in Deutschkursen für Flüchtlinge engagieren. Ich denke an Ärztinnen oder Krankenpfleger, die ihren Urlaub dafür opfern, in Ländern der sogenannten Dritten Welt Menschen, die sonst ohne medizinische Versorgung wären, zu helfen und Leben zu retten. Wie gesagt, es gibt viele Arten und Weisen, Leben zu retten. Und sehr, sehr viel geschieht, ohne dass die Menschen, die zu Lebensrettern werden, Geld dafür erwarten und bekommen. Ihnen nimmt man ihren Einsatz auch innerlich ab. Sie sind deshalb glaubwürdig, weil sie keinen sichtbaren Vorteil aus ihrem Einsatz ziehen.
Ja, Paulus hat recht: es erhöht die Glaubwürdigkeit, den Einsatz, weil man gepackt ist und nicht, weil man sich einen Vorteil erhofft, wenn kein Lohn im Spiel ist. Aber ich denke, dass Glaubwürdigkeit und Bezahlung nicht in unmittelbaren Zusammenhang stehen. Klar, können Sie jetzt sagen, sie müssen das so sehen. Pfarrer bekommen ja Geld für das, was sie tun. Und natürlich kann einen die gar nicht mal so schlechte Bezahlung dazu verführen, auch dann noch den Glauben an Gott öffentlich zu verkündigen und Kinder und Jugendliche zu unterrichten, wenn der eigene Glaube sich vielleicht verabschiedet hat und nur noch Hülle ist. Aber ich denke auch, dass andere, dass nicht nur eine Kirchengemeinde, sondern alle Menschen, denen man begegnet, das schnell merken würden. Glaubwürdigkeit hängt nicht in erster Linie an einer Bezahlung, sondern daran, dass Reden und Handeln und eigenes Leben in Einklang stehen und da haben andere schon ein Gespür für. Und ich will auch mal weg vom Blick auf den Pfarrer oder die Pfarrerin allein, wenn’s darum geht, das Evangelium zu predigen. So, wie es verschiedene Arten gibt, Leben zu retten – und davon ist die Verkündigung des Evangeliums eine Art – so gibt es auch verschiedene Arten, das Evangelium zu predigen. Aber was ist das eigentlich, das Evangelium?

Die Verkündigung des Evangeliums ist mehr, als Predigten und Ansprachen zu halten und in Bibelkreisen was Frommes zu erzählen. Das Evangelium zu predigen, das heißt, durch Worte und Taten Menschen zu helfen, eine gute Sicht auf ihr Leben zu gewinnen. Menschen sollen lernen, sich so zu sehen, wie Gott sie sieht: grundsätzlich
geliebt und angenommen. Dazu gehört auch, dass ich sehe, wo Fehler liegen. Nicht nur Fehler, die andere gemacht haben, sondern auch Fehler, die ich selbst begehe oder begangen habe – und Konsequenzen daraus ziehe. Fehler und Schuld müssen nicht aufgerechnet werden, sind kein Grund, für immer zu verzweifeln. Sondern ich kann ein Angebot Gottes sehen und annehmen, das in Jesus Gestalt gewonnen hat: das Angebot zu Umkehr und Neuanfang. Und ich darf wissen: das Angebot verfällt nicht. Ich kann scheitern, ich werde scheitern – und dennoch wird mir ein Neuanfang geschenkt, dennoch bleibt die Liebe, die mir geschenkt ist, stärker. Gerechtigkeit für die Schwachen, neues Leben für die Benachteiligten. Vertrauen ins Leben. Eine lebendige Beziehung zum lebendigen Gott. Darum geht es. Und das alles wächst nicht nur durch gute Worte, sondern auch durch gutes Handeln – und da, wo es nötig ist, auch durch professionelles Handeln. Manchen geht durch schöne und gute Musik in der Kirche oder mit guten Texten das Herz auf. Manche erfahren das durch fachlich gute Hilfe in verschiedenen Einrichtungen der Diakonie. Manche in einer tollen Jugendarbeit und auf Freizeiten. Alles aufzuzählen würde viel zu lang dauern. Ein wesentlicher Zug der frohen Botschaft ist auch die Botschaft der Gerechtigkeit.  Gerechtigkeit hört nicht bei denen, die in Wort und Tat Evangelium leben und verbreiten, auf. Auch ein Mensch, der um Gottes und der Menschen willen sich einsetzt, ist seines Lohnes wert. Ausbeutung unter dem Deckmantel des Wahrens der Glaubwürdigkeit kann und darf nicht sein – dann wird die Botschaft selbst auch unglaubwürdig. Wie gesagt, es geht nicht darum, wie viel Geld Pfarrer verdienen dürfen oder müssen oder sollen oder ob sowas nicht besser ehrenamtlich gemacht werden soll. Es geht um die vielen Menschen, die sich, egal ob mit oder ohne Bezahlung, für das Einsetzen, was Evangelium, frohe Botschaft, heute ausmacht. Und da ist es gut, wenn in der Jugendarbeit, der Kirchenmusik, den Küsterdiensten,  der Diakonie und vielem mehr auch durch eine halbwegs gerechte Bezahlung gezeigt wird: wir erkennen an, dass ihr wirklich gute Arbeit tut, weil ihr euch habt ausbilden lassen, weil ihr euch verpflichtet habt, verbindlich da zu sein, weil man sich auf euch verlassen kann.
Wenn Paulus heute leben würde, würde ich gern mit ihm mal darüber diskutieren. Ich würde mich aber auch gern bei ihm bedanken. Für Sätze und Aussagen wie „den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne.
Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi –, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.
Danke dafür, dass es eben nicht Verrat an der guten Sache und der klaren Botschaft ist, wenn ich mich in andere hineinversetzen kann und ihnen Wege öffne, wie sie verstehen können. Es geht darum, nicht die eigene Herkunft oder Bildung oder Vorlieben oder den eigenen Musikgeschmack oder die eigene Frömmigkeit mit DEM Evangelium zu verwechseln, sondern hinzuhören, hinzusehen: was braucht der andere, um die gute Botschaft, das gute Angebot Gottes sehen, hören, verstehen und annehmen zu können? Jugendliche sehen die Welt anders als Erwachsene. Gott sei Dank. Und es ist ein Unterschied, ob ich unter lauter Großstädtern bin oder von daher komme, oder ob ich auf dem Land meine Wurzeln habe und lebe. Es ist ein Unterschied, ob Menschen aus Familien stammen, in denen Bildung und Kultur und Musik und Lesen immer eine große Rolle spielte oder ob das alles im Leben bisher nicht wichtig war, den Eltern nicht, den Großeltern nicht und dem Menschen vor mir nicht. Es kommt nicht darauf an, die gute Botschaft irgendwie zu verpacken, sondern sie so zu erzählen, und damit meine ich auch: so zu musizieren oder so in die Tat umzusetzen, dass der andere, egal woher er oder sie kommt, es auch verstehen kann und für sich entdecken kann. Nicht verpacken, täuschen oder tricksen, sondern übersetzen. Ich finde, dass das eine tolle und frohe Botschaft ist, die Paulus hier herausstellt: wirklich nichts, keine Herkunft, keine Vorliebe, kein familiärer Hintergrund, keine Bildung und kein Beruf trennen uns von der Liebe Gottes. Und als einer, der diese Botschaft für sich als wichtig erkannt und angenommen hat, da ist es dann sowohl die Freiheit als auch die Aufgabe, diese Botschaft immer wieder so zu übersetzen, dass der andere sie verstehen kann. Andere müssen sich nicht mir und meinem Verständnis von Glauben und Gott anpassen, sondern mein Verständnis darf sich auch von dem, was andere mitbringen, anfragen und bereichern lassen. Wir sind auf der einen Seite natürlich an das Evangelium, an die gute Botschaft der Liebe Gottes zu allen Menschen und der Einladung, von falschen Wegen umzukehren, gebunden. Aber wir sind so frei, diese frohe Botschaft immer wieder neu, zeit- und menschengemäß, zu erzählen, zu musizieren, in Taten umzusetzen. So, dass andere sie erkennen und entdecken können. Aber, und das finde ich wichtig und entlastend, Paulus macht dabei die Grenzen von uns Menschen sehr deutlich:  Nur mal kurz die Welt retten – das schaffen wir so oder so nicht. Paulus schreibt ja sehr nüchtern, dass er nicht alle, sondern, bei allem Engagement und Einsatz, bestenfalls einige retten kann. Grenzen setzen, Grenzen auch realisieren – nicht immer schön und angenehm, aber auch das gehört für mich zum Evangelium. Nicht grenzenlos sein zu wollen, sondern darauf zu hoffen und zu vertrauen, dass das Evangelium, dass Gottes Geist auch jenseits unserer Grenzen wirken und wehen kann. Es geht um glaubwürdiges Reden und Handeln – und darum, die eigenen Grenzen nicht aus dem Blick zu verlieren. Gott sei Dank ist Gottes Geist, seine Liebe, größer als unsere Möglichkeiten. Amen

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