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Freitag, 17. Januar 2014

In der Muckibude - Abschied vom Richtsberg - 2. So nach Epiphanias, 19.01.2014

Text: Hebräer 12,12-19.21-25a (Basisbibel)
Meine letzte Predigt als Pfarrer auf dem Richtsberg



Liebe Gemeinde!
Ich möchte jetzt mal drei starke Männer und drei starke Frauen hier vorne bei mir haben. (Falls tatsächlich Leute nach vorn kommen: einfach mal fragen, warum sie gekommen sind; falls nicht: Traut sich keiner? War die Frage zu stark und ihr seid zu schwach? Kommen in den Gottesdienst nur schwache Gestalten? Okay, mal im Ernst: Vielleicht denken ein paar: eigentlich könnte ich schon gehen, aber ich will ja nicht vor so vielen Leuten als Macker da stehen oder als Angeber-Tussi. Und möglicherweise denken ganz viele: Ach, ich doch nicht, ich bin doch nicht stark, da gibt’s doch ganz andere. Und manche sind vielleicht zu faul aufzustehen. Man sitzt ja gerade so bequem. Und ich glaube auch, dass viele denken: Was heißt das eigentlich, stark sein? Bin ich das?)
Bei Männern geht das oft über Körperkraft oder die Fähigkeit, seinen Willen durchzusetzen. Das sind starke Typen. Manchmal vielleicht auch die, die ordentlich was vertragen, beim Trinken oder bei Pöbeleien. Wer viel Schlucken und gut austeilen kann, den halten viele für stark. Bei Frauen sind das manchmal die, die einen super bezahlten Job haben, immer absolut begehrenswert aussehen, gut gestylt, und dazu noch eine Familie mit vier Kindern managen. Oder manchmal auch durchaus kräftige Frauen, die aber mit Humor und Durchsetzungskraft was zeigen. Fitnessstudio, Muskeln, Erfolge, vielleicht auch noch Top-Stimme, musikalisch, durch nichts aus der Ruhe zu bringen, egal ob bei Männer oder Frauen: das ist stark. Und so sollen wir jetzt auch alle werden. Stärkt euch! Haben wir gerade aus der Bibel gehört. Also: ihr seid jetzt sozusagen in der geistlichen Muckibude, damit euch der Alltag nichts anhaben kann, damit ihr fit seid für… - ja, für was eigentlich?
Natürlich für’s Leben, für was denn sonst?! Aber was heißt das denn? Ich glaube nicht, dass echte Stärke an solchen Äußerlichkeiten wie tollen Muskeln oder einer nach Medienmaßstäben perfekten Figur auch nach dem dritten Kind abzulesen ist. Selbst am dicken Bankkonto und schönen Haus und ich glaube auch noch nicht mal an der Menge der Freunde und Bekannten lässt sich wahre Stärke ablesen. Wirklich stark ist der, der Schwäche nicht verstecken muss. Und das liebe ich an Gott, an Jesus, an der Bibel, dass es da nicht um irgendwelche absurden Superhelden geht, nicht um die Gesetze des Marktes, sondern um echtes Leben, das auch seine Macken hat. Der, der Schwäche zulassen kann, ist am Ende der, der das Leben gewinnt. So, wie es bei Jesus ist. Der kannte das Gefühl, am Ende zu sein. Der lief auch vor dem Sterben nicht weg, der hat sich nicht aus dem Leben rausgezaubert, sondern der lebt mit allen Konsequenzen, auch mit der Schwäche und dem Tod – und hat alles gewonnen. Liebe, die stärker als der Tod ist. Leben, das den ins Recht setzt, dem andere Unrecht tun. Leben auch für die, die sich selbst für zu schwach, zu klein, zu dumm halten. Stark ist der, der die Schwächen nicht verstecken muss. Macht die erschlafften Hände und die erlahmten Knie wieder stark!  Das rechnet ja schon mit Momenten der Schwäche. Auch im Glauben an Gott. Habt keine Angst davor! Weder bei euch noch bei anderen! Ich find‘s schön, was hier steht. Ihr  müsst nicht die sein, die immer strahlen. Ermutigt euch. Lasst keinen zurück! Achtet auf die, die nicht mitkommen! Sich selbst und andere stark machen! Für mich ist das eine der schönsten Beschreibungen dafür, was der Glauben an Gott eigentlich in diesem Leben, im Alltag, in dieser Welt soll. Ich habe in den knapp sechseinhalb Jahren als Pfarrer auf dem Richtsberg davon viel erlebt. Von dem, was es heißt, gestärkt zu werden. Nur ein paar Highlights aus meiner geistlichen Muckibude: die Seniorennachmittage. Meistens kamen gar nicht viele Leute zusammen. Wenn es nach der Marktlogik geht, eigentlich viel zu wenig Leute für den Aufwand. Aber ich fand es beeindruckend, wie Menschen, die ihr Kind oder ihren Ehepartner verloren haben, gerade hier wieder Mut gefasst haben. Das hat auch mir Kraft gegeben. Ich durfte Gott hier bei der Arbeit zugucken. Ganz

Samstag, 11. Januar 2014

Kannste knicken?! - Nein!, 1. Sonntag nach Epiphanias, 12.01.14, Reihe VI

Text: Jesaja 42,1-4


Liebe Gemeinde!
Moment, darf ich mal? Ich hab nicht so viel! Schon weit vor der Kasse ruft die Frau das durch den Laden. Und bevor überhaupt jemand antworten kann, hat sie sich an der Kasse schon vorgedrängelt. Ich hab’s echt eilig, mein Bus geht gleich! Lautstark macht sie sich bemerkbar, schon wieder einen Platz weiter vorn ergattert. Und dann steht das schüchterne Mädchen an der Kasse, in der Hand nur eine Dose Cola und einen Beutel Gummibären, sie ist still, hat gerade schon den alten Herrn mit den Krücken vorgelassen. Und eh sie sich’s versieht ist die laute Dränglerin, die auf dem Recht, ihren Bus zu kriegen, besteht, auch noch vor ihr. Mit fast vollem Korb. Mist, denkt das Mädchen. Jetzt komme ich nach der Pause doch zu spät in die Schule und krieg schon wieder Ärger mit Frau Schulze. Aber sie sagt nichts. Die Lauten kommen voran, die Drängler, die keine Rücksicht auf Verlust nehmen. Wer leise ist, zurücksteckt, vielleicht auch tatsächlich noch für andere, die kaum noch stehen können, Platz macht, wer Menschen in Not hilft und nicht vorbeigeht, wenn’s einem selber nichts bringt, der kommt nicht vorwärts. Der bleibt hintendran, nicht nur an der Supermarktkasse. Der wird geknechtet, der bleibt Knecht. So ist das Bild, so wird’s immer wieder erzählt und deshalb scheint es immer zu einem gängigen Lebensmuster zu werden, dass sich jeder das, von dem er glaubt, dass es ihm oder hr zustehen müsste, nimmt. Ohne Rücksicht auf Verluste eben. Soll doch jeder selber für sich sorgen. Und wenn dabei einer, der sowieso schon leidet, untergeht – selber Schuld. Ich zuerst – an der Supermarktkasse genauso wie im Umgang zum Beispiel mit Flüchtlingen aus Syrien. Millionen sind auf der Flucht. Der arme Libanon hat über 1 Million Flüchtlinge aufgenommen. Und das reiche Deutschland lässt sich dafür feiern, dass es maximal 10.00 Menschen aufnehmen will. Ich zuerst – auch im Umgang mit Menschen, die noch gar nicht da sind. Mit Rumänen und Bulgaren, denen erst einmal pauschal unterstellt wird, nur auf deutsche Sozialleistungen aus zu sein. Ich bin kein Romantiker, der glaubt, das deutsche Sozialsystem sei unendlich belastbar oder der glaubt, dass das Miteinander von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit sehr unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen spannungsfrei möglich ist, wenn alle sich nur Mühe geben. Nein. Es gibt Probleme, es wird welche geben und Menschen sollen tatsächlich auch Verantwortung für sich und ihr Leben übernehmen und das, was sie können, auch selbst in die Hand nehmen. Aber das ist immer unterschiedlich viel und es geschieht mit ganz unterschiedlichen Begabungen oder Voraussetzungen. Ich bin kein Romantiker, ich bin Christ. Und als Christ höre ich auch das, was ein Prophet, dem der Name Jesaja gegeben wurde, als Gottes Wort weitergibt.
Von Gottes Knecht ist da die Rede, von dem, der von Gott gehalten wird , der Gottes Geist hat, der auserwählt ist und der das Recht zu den Völkern bringt, gerade auch zu den Menschen, die Gott gar nicht kennen. Knecht – das hört sich im Deutschen so abschätzig an. Knecht – das ist einer mit wenig oder keinen Rechten, einer der ganz