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Samstag, 28. Juni 2014

Nur mal kurz die Welt retten - funktioniert leider so nicht... - 2. -sonntag nach Trinitatis, 29.06.2014

Text: 1. Korinther 9,16-23



Liebe Gemeinde!
„Mein Lohn ist, dass wenigstens einige gerettet werden!“ – So versteht Paulus das, was er ehrenamtlich und mit dem Einsatz seines ganzen Lebens tut. Er lässt sich seine Rettungstat nicht bezahlen.
Jetzt gibt es ja ganz viele Arten, Menschen zu retten. Ich denke an die Männer und Frauen, die sich ehrenamtlich in der Feuerwehr engagieren. Sie lassen sich aus- und fortbilden, haben sicher hoffentlich auch oft Spaß an ihrer Sache, aber es ist doch ihre Zeit, die sie einbringen und vor allem: Wenn es hart auf hart kommt, bei Unfällen, bei Bränden, dann geht es oft bis an den Rand der eigenen Körperkräfte und manchmal auch an den Rand dessen, was die eigene Seele ertragen kann. Ich denke an Menschen, die sich ehrenamtlich in der Nachbarschaftshilfe engagieren. Da geht es vielleicht nicht um körperliche Rettung, aber manchmal ganz einfach auch darum, Menschen vor der Einsamkeit zu retten oder davor, ein Leben fernab der vertrauten Heimat und Kontakte führen zu müssen. Oder es geht darum, eine Familie am Rand des Zusammenbruchs zu entlasten, weil jemand für die Kinder oder als Ansprechpartner da ist.
Ich denke an Menschen, die sich ehrenamtlich in der Begleitung von Sterbenden, in Hospizdiensten, in der Arbeit der Tafeln, in Deutschkursen für Flüchtlinge engagieren. Ich denke an Ärztinnen oder Krankenpfleger, die ihren Urlaub dafür opfern, in Ländern der sogenannten Dritten Welt Menschen, die sonst ohne medizinische Versorgung wären, zu helfen und Leben zu retten. Wie gesagt, es gibt viele Arten und Weisen, Leben zu retten. Und sehr, sehr viel geschieht, ohne dass die Menschen, die zu Lebensrettern werden, Geld dafür erwarten und bekommen. Ihnen nimmt man ihren Einsatz auch innerlich ab. Sie sind deshalb glaubwürdig, weil sie keinen sichtbaren Vorteil aus ihrem Einsatz ziehen.
Ja, Paulus hat recht: es erhöht die Glaubwürdigkeit, den Einsatz, weil man gepackt ist und nicht, weil man sich einen Vorteil erhofft, wenn kein Lohn im Spiel ist. Aber ich denke, dass Glaubwürdigkeit und Bezahlung nicht in unmittelbaren Zusammenhang stehen. Klar, können Sie jetzt sagen, sie müssen das so sehen. Pfarrer bekommen ja Geld für das, was sie tun. Und natürlich kann einen die gar nicht mal so schlechte Bezahlung dazu verführen, auch dann noch den Glauben an Gott öffentlich zu verkündigen und Kinder und Jugendliche zu unterrichten, wenn der eigene Glaube sich vielleicht verabschiedet hat und nur noch Hülle ist. Aber ich denke auch, dass andere, dass nicht nur eine Kirchengemeinde, sondern alle Menschen, denen man begegnet, das schnell merken würden. Glaubwürdigkeit hängt nicht in erster Linie an einer Bezahlung, sondern daran, dass Reden und Handeln und eigenes Leben in Einklang stehen und da haben andere schon ein Gespür für. Und ich will auch mal weg vom Blick auf den Pfarrer oder die Pfarrerin allein, wenn’s darum geht, das Evangelium zu predigen. So, wie es verschiedene Arten gibt, Leben zu retten – und davon ist die Verkündigung des Evangeliums eine Art – so gibt es auch verschiedene Arten, das Evangelium zu predigen. Aber was ist das eigentlich, das Evangelium?

Die Verkündigung des Evangeliums ist mehr, als Predigten und Ansprachen zu halten und in Bibelkreisen was Frommes zu erzählen. Das Evangelium zu predigen, das heißt, durch Worte und Taten Menschen zu helfen, eine gute Sicht auf ihr Leben zu gewinnen. Menschen sollen lernen, sich so zu sehen, wie Gott sie sieht: grundsätzlich

Freitag, 6. Juni 2014

...mehr als ein Sommermärchen - Pfingstsonntag 2014, 08.06.14, Reihe IV

Nach langer Zeit mal wieder eine Sonntagspredigt: die erste in den Gemeinden meines Predigtauftrags in der Kirchengemeinde Dreihausen-Heskem, diesmal in Heskem und Roßberg. Und dann so ein Text... Das war nicht gerade mein Lieblingstext und es gibt sicher sehr viele "pfingstlichere" Texte!
Text: Römer 8,1+2+10+11 (Zürcher)


Liebe Gemeinde!
Wollen sie auch gern wissen, woran sie sind? Ich schon. Und ich glaube, viele wollen das. Ich habe das in der Schule erlebt. Obwohl ich jetzt seit 30 Jahren kein Schüler mehr bin, erinnere ich mich noch gut dran, dass mir Lehrer sehr lieb waren, die klare Ansagen gemacht und das dann auch durchgehalten und für alle gleich gehalten haben. Klare Ansage – klare Konsequenz. Im Guten wie im Schlechten. Und in den 20 Jahren, in denen ich selber unterrichtet habe, da habe ich auch gemerkt, dass Schülerinnen und Schüler einem nicht böse sind, wenn man klare Ansagen macht und die auch einhält. Wenn – dann. Und das für alle gleich. Ich erlebe das jetzt im Umgang mit Mitarbeitern, aber auch dann,  wenn es um Gesetze und Regeln geht. An die ich und andere sich im Alltag halten müssen. Wenn – dann: klare Aussage, das hilft, sich zurechtzufinden, das schafft Nachvollziehbarkeit und eine Form von Gerechtigkeit. Aber es zeigt Menschen dann auch ziemlich klar, was sie alles nicht können und nicht richtig machen. Und manchmal merkt man dann auch: So einfach ist das gar nicht, dass sich alles in Regeln fassen lässt. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, an oder aus, 1 oder 0. Die Welt ist weniger digital, statisch, vorhersehbar, planbar, als wir manchmal denken oder es gern hätten. Leben ist bunter, vielfältiger. Und „Wenn – Dann“, das lässt einen manchmal dann mit der Frage dastehen: „Ja, wozu gehöre ich eigentlich? Trifft das jetzt auf mich zu oder nicht?“
„Wenn – dann…“ – das will Klarheit, Gerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit herstellen. Aber manchmal lässt es mich und jeden, der mit solchen Aussagen konfrontiert wird, mit Fragen zurück. Nicht alles lässt sich regeln.
„Wenn – dann…“ – manchmal lädt das aber auch zum Träumen ein. „Wenn ich erstmal konfirmiert bin, dann darf ich endlich abends auf die Kirmes“  - einer der Träume meiner Jugend. Heute sieht es vielleicht anders aus. Aber: „Wenn ich erstmal volljährig bin…., wenn ich erstmal einen tollen Beruf habe und richtig Geld verdiene…, wenn die Kinder endlich groß sind…,  wenn das Haus erstmal abbezahlt ist, …; wenn ich erstmal im Ruhestand bin…“ – Träume, Hoffnungen, Wünsche – Gott sei Dank lässt sich das nicht ausrotten. Schwierig wird es dann, wenn sie den Blick auf die Wirklichkeit verstellen und einen dazu verleiten, die Gegenwart, das was jetzt zu tun und zu lassen ist, zu vernachlässigen.
„Wenn – dann…“ – klare Ansage, klares Gesetz, das Menschen auch in Frage stellt oder Anlass zum Träumen? Was meint wohl Paulus, wenn er mit einigen „Wenn – Dann…“s an die Gemeinde in Rom schreibt? Wir hören einige Verse aus dem 8. Kapitel des Briefes an die Römer:

Lesen: Röm  8,1+2+10+11, Zürcher Übersetzung

Ich glaube, dass Paulus hier beides zusammenbringt: die klare Orientierung, die einem zeigt, wo’s langgeht und hilft, die aber auch manchmal anstrengend ist, weil sie auch zeigt, was auch bei mir nicht gut ist, wo ich mich anfragen lassen muss, ob das, was ich mache, richtig ist – und die Sehnsucht nach einer guten Zukunft. Der Traum von einem Leben, das wirklich gut ist, das noch nicht da ist, das aber mehr als nur ein Traum ist. „Wenn – dann“ – es ist noch nicht so weit, aber es kommt.
Leben ist spannend. Da ist einmal die Spannung,

Montag, 31. März 2014

SKANDAL! Mehrheitsmeinung wird einfach ignoriert! Unlogik setzt sich durch!


Der folgende Text ist ein Beitrag für die Homepage des St.-Elisabeth-Vereins, Marburg

Undenkbar, dass solche Schlagzeilen hingenommen werden. Es kann nicht sein, dass einfach an der eindeutigen, und sei es nur selbst gefühlten, Mehrheit vorbei was gemacht wird! Das Auslösen eines Shitstorms ist das Mindeste, das nun folgt. Und bei Jauch und Maischberger, in der heute-show und den Talks in den Dritten Programmen, in Leitartikeln und Morgen-, Mittags- und Abendmagazinen würde ein Heer von mehr oder weniger anerkannten, selbsternannten und sonstigen Experten durchs mediale Dorf getrieben. Aber das alles bleibt aus, wenn’s um Ostern geht. Wir haben uns an die Ferien und Feiertage gewöhnt, eine willkommene Unterbrechung des Alltags. Schade nur, dass es am Karfreitag ein Tanzverbot gibt, das immer mehr ausgehöhlt und in Frage gestellt wird. Ostern –Zeit der Entspannung, des Urlaubs, Zeit zum Feiern, für Familie, Freunde, erste ausgedehnte Radtouren. Und sonst? War da was? Ach ja, in Konfer musste es ja auswendig gelernt werden. „Am dritten Tage auferstanden von den Toten“.

Und das ist doch der Skandal überhaupt, in jeder Hinsicht. Die Mehrheit der Menschen wollte den Tod, wollte das Opfer. Der unbequeme Versöhner, der konsequent auf Gerechtigkeit besteht und die auch vorlebt, der, der an die Ränder der Gesellschaft geht und menschengemachte Vorrechte in Frage stellt, der, der Gottes Liebe auch zu denen bringt, die in den Augen der Mehrheit nicht liebenswert sind, der muss und soll weg. Aber selbst der Tod kann hier nichts stoppen. Völlig unlogisch, völlig an den normalen Erfahrungen vorbei. Gott widerspricht dem, was Menschen für normal halten. Gott widerspricht der Perspektivlosigkeit. Gott widerspricht dem Diktat des „Das-war-doch-schon-immer-so“! Gott schafft Perspektiven für die ohne Perspektive. Ein Skandal! Gott richtet sich nicht nach dem Mainstream, nicht nach der Mehrheit, nicht nach dem „gesunden Volksempfinden“ und nicht nach dem, was die „Wutbürger“ fordern. Gottes Perspektive ist das Leben. Das Leben, das sich auch von allem, was es verneint, nicht unterkriegen lässt. Dem Leben, das am Ende verwandelt wird und Recht, Gerechtigkeit, Liebe ans Licht bringt.

Und was heißt das heute? Wo ist heute dieser Skandal noch spürbar? Wo ist Ostern heute tatsächlich noch mehr als ein nettes Frühlingsfest? Für mich da, wo der Widerspruch gegen die Trostlosigkeit und den Tod, wo der Widerspruch, den Jesus hier lebt, laut wird. Dort, wo Partei ergriffen wird, wenn Menschen, jungen wie alten, ihre Perspektive gestohlen wird, sie stigmatisiert und an den Rand gedrängt werden. Dort, wo nicht die Lauten, die ihre Interessen am auffälligsten vertreten können, zuerst gehört und bedient werden, sondern wo aktiv auf die Leisen, Zurückhaltenden, Schüchternen, Verängstigten zugegangen wird. Dort, wo ich selber bereit bin, mich und meine Wege in Frage zu stellen, wo ich erkenne, dass ich Vergebung und einen Neuanfang brauche und mich nicht für besser halte. Dort, wo nicht die Perspektive des Todes, des Krieges, der Gewalt die Überhand gewinnt, sondern wo aus dem Sieg des Lebens Kraft wächst, der Logik des Todes zu widersprechen. Auch dort, wo ich nicht vorletzte Fragen nach der Befriedigung eigener Interessen, und seien sie auch noch so gut und gut gemeint, zu letzten Fragen über Leben und Tod hochstilisiere, sondern wo ich auch die Perspektive des anderen einnehmen kann und Wege zu einem guten Miteinander nicht durch Rechthaberei verbaue.

Ostern ist ein Skandal. Ostern widerspricht unserer Alltagslogik. Gott sei Dank!

Donnerstag, 6. März 2014

Macht macht stark - Predigt zur Einführung als Diakoniepfarrer in den Kirchenkreisen Kirchhain und Marburg


1. Samuel 2, 20:

Saul sprach zu David: Wo ist jemand, der seinen Feind findet und lässt ihn mit Frieden seinen Weg gehen? Der HERR vergelte dir Gutes für das, was du heute an mir getan hast!

 

Liebe Gemeinde!

Zwei Männer sind, im wahrsten Sinn des Wortes, zu Todfeinden geworden. Der eine, formal noch der Herrscher und Inhaber der Macht, klammert sich mit aller Gewalt an das, was er nicht mehr halten kann. Und wie das so ist. Je mehr seine Macht in Frage gestellt wird, desto härter und brutaler reagiert er. Seinen Herausforderer will er töten. Der andere, jung, aufstrebend, zunächst noch Freund des Machthabers, hat die Zeichen der Zeit erkannt, wird, darauf deutet alles hin, die Macht bekommen. Er steht in der Gefahr, getötet zu werden. Er stellt eine große Bedrohung für den Machthaber dar, der sich an das, was er hat, klammert. Und dann ergibt sich die Möglichkeit, den alten Machthaber loszuwerden. Er, der junge, aufstrebende hat es in der Hand, seinen Todfeind ein für allemal zu beseitigen. Und was macht er? Er lässt ihm das Leben. Er nutzt seine Macht nicht aus, er sinnt nicht auf Rache, er erweist sich gnädig. So ist es, nicht in der Ukraine in diesen Tagen, nicht in Südafrika zu Zeiten, als die Apartheid zu Ende ging, sondern im Alten Israel lange, lange vor unserer Zeit. Saul und David machen sich das Leben zur Hölle mit ihren Macht- und Verteidigungsansprüchen. Und David bricht, zumindest für einen Moment, aus der Spirale der Gewalt aus. Und in dieser Situation lesen wir eben den Satz in der Bibel, den ich eben vorgelesen habe. Vielleicht kann die Generation meiner Großväter, die den zweiten Weltkrieg als Soldaten miterlebt haben, so ein wenig ermessen, was diese Entscheidung von David bedeutet. Dem Feind, der einem selbst ans Leben will, das Leben zu schenken. Wahrscheinlich können Menschen in viel zu vielen Ländern der Erde, in denen Menschen wegen ihrer Religion oder ihrer Volkszugehörigkeit um ihr Leben fürchten müssen, oder Menschen in Ländern, in denen sich Mächtige mit Gewalt an ihre Macht klammern, wie Syrien oder der Ukraine, ein wenig ermessen, was das bedeutet, dem Feind, der das eigene Leben bedroht, Leben zu schenken, auch wenn man die Macht hat, es auszulöschen. Für die aller, allermeisten, die heute hier mitfeiern, ist das aber wohl, Gott sei Dank, keine Frage auf Leben und Tod.

Aber trotzdem ist es eine wichtige Frage: Wie gehe ich mit der Macht um, die mir über andere gegeben ist? Macht ist erst einmal nichts Böses. Viel zu oft wird Macht mit Gewalt gleichgesetzt. Oder Machtmissbrauch wird gleich mitgedacht oder mit vermutet. Dabei ist Macht eigentlich erst einmal eine Grundgegebenheit unseres Menschseins. Mit einem Lächeln, einem freundlichen Wort hat jeder von uns tatsächlich die Macht, das Leben eines anderen, der ihm begegnet, erst einmal, und sei es nur für wenige Minuten, schöner, lebenswerter zu gestalten. Was sich so banal anhört, auch im Umkehrschluss, dass wir mit mieser Laune oder einer schnell mal nebenbei rausgerutschten Beleidigung die Macht haben, einen anderen niederzudrücken, hat für mich viel tiefere Schichten.

Vor gut einer Woche habe ich Folgendes erlebt, dass nur auf den ersten Blick nichts mit Saul und David und Feindesliebe und Macht zu tun hat, auf den zweiten Blick aber ganz viel zeigen kann: Da sind zwei Frauen beim Mittagessen in der Tagesaufenthaltsstätte für Wohnungslose. Beide häufig da. Die eine schüchtern, zurückhaltend, schon älter, hat lange gebraucht, bis sie ihre Hilfsbedürftigkeit zugeben konnte, sich öffnen konnte. Die andere, eher raumfordernd, laut, ebenfalls mit vielen Problemen und einer schwierigen Lebensgeschichte, lässt durch offene und verdeckt verteilte Spitzen immer wieder deutlich werden, dass in ihren Augen die ältere Dame da nichts verloren hat und wenn sie schon da ist, sie gefälligst den Mund halten und sich anpassen soll. Was ist hier richtig, was ist hier diakonisches Handeln? Mitleid zu haben mit den Frauen und ihrer schweren Lebensgeschichte, zu beschwichtigen, zu sagen: „Ach, das muss man ja verstehen, die können ja auch nichts dafür, die wurden ja auch vom leben oder von anderen schlecht behandelt?“ Ich bin dankbar, dass die Mitarbeitenden in der Tagesaufenthaltsstätte sich nicht von dieser Form von Mitleid leiten lassen. Sie arbeiten mit ihrer Macht, die sei haben, durch ihre Ausbildung, ihre Kompetenz, auch ihre relative materielle Sicherheit. Sie verstecken ihre Macht nicht. Und sie arbeiten mit der lauten, stichelnden Frau. Sie machen sich mit ihr auf den Weg, damit sie lernen kann, anderen Raum zu geben, anderen das Leben zu gönnen und leichter zu machen, weil sie selbst erfahren kann, dass sie ernstgenommen wird und Raum hat. Sie helfen ihr, ihre Macht zu entdecken und bewusst und verantwortungsvoll damit umzugehen. Ein mühsamer, langer Weg mit manchen Rückschlägen. Aber ein richtiger Weg. Diakonisches Handeln ist für mich auch ein Handeln, das Menschen hilft, die ihnen eigene, von Gott gegebene Würde und Macht zu entdecken, wahrzunehmen, verantwortungsvoll damit umzugehen. Wie gehen Menschen miteinander um? Das ist für mich eine ganz zentrale Frage. Für mich ist das, was in der Geschichte von Saul und David als Gottes Wille deutlich wird und was sich dann in den Worten Jesu: „Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“ zeigt, keine fromme pazifistische Überforderung. Für mich heißt das ganz einfach: Leben fördern und nicht Leben nehmen ist GottesWille für den Umgang von Menschen untereinander. Frieden, sozialer Frieden genauso wie Frieden als gewaltfreies Miteinander, hat am ehesten dort eine Chance, wo Menschen nicht um ihr Lebensrecht kämpfen müssen, sondern wo sie sich angenommen und aufgehoben wissen – in aller Unterschiedlichkeit. Auch in der Unterschiedlichkeit der Gaben und Möglichkeiten. Keiner muss alles könne und alles haben. Dem andere helfen, die Verantwortung und Macht, die er hat, zu entdecken und wahrzunehmen, das ist Diakonie – es geht eben nicht darum, anderen Verantwortung abzunehmen, auch wenn das manchmal der einfachere Weg zu sein scheint. Gott schenkt uns Menschen Verantwortung, füreinander, für das Leben. Diakonisches Handeln, eben nicht nur von Profis in Institutionen, Vereinen, Verbänden, sondern von jedem, der sich in der Nachfolge Jesu weiß, in Gemeinden und überall, heißt auch dazwischen zu gehen, wo dies schwer oder unmöglich gemacht wird. Und insofern gehört zu diesem diakonischen Umgang miteinander auch so etwas wie das Bewusstsein, die eigene Macht immer auch zu begrenzen und den Anspruch zu haben, sich überflüssig zu machen. Loslassen können, den anderen ein eigener Mensch sein lassen zu können – auch das ist ein Handeln im sinne Gottes, im Auftrag Jesu. Es geht in der Liebe, von der Jesus spricht, nicht um das große Gefühl, sondern darum, im anderen das Du mit eigenem Wert und eigenem Weg und eigenem Recht zu sehen. Menschen zu helfen, sich gegenseitig auf Augenhöhe zu begegnen – ich glaube, dass das ein wesentlicher  Auftrag ist, wenn wir unser Tun und Lassen in der Verantwortung vor Gott geschehen lassen. Und für mich liegt ein Anfang auch da, wo wir voneinander reden. Nicht erst da, wo wir mit der Waffe in der Hand anderen Leben nehmen oder Leben lassen können.  Wie reden wir voneinander? In den letzten Wochen bin ich, manchmal auch mit leicht spöttischem Unterton, öfter mal las „Chef“ angeredet worden. Gewöhnungsbedürftig. Aber tatsächlich bin ich auch der, der Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, der im Rahmen des rechtlich Möglichen Entscheidungen treffen kann, die andere ausführen. Macht wird dann schwierig, wenn sie verschleiert wird. Offenheit und Transparenz gehören dazu. Und da bin ich eher Chef als Freund. Und wie reden wir von den Menschen, die uns begegnen, die uns und unsere Angebote beanspruchen? Kunden? Klienten? Mandanten? Wenn wir nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich in allem, was wir tun, um ein Miteinander von Menschen handelt, die sich um Gottes Willen auf Augenhöhe begegnen, dann ist es vielleicht sogar manchmal gut, distanzierter zu reden, weil Menschen auch das Recht haben, weniger von uns zu wollen, als wir ihnen zu geben bereit sind. Einfach nur einen Rat und nicht unsere ganze Liebe. Die bekommen sie hoffentlich dann woanders, die bekommen sie sicher von Gott. Es reicht, einander das Leben zu gönnen, zum Leben zu helfen. Keiner von uns ist allmächtig. Auch nicht in Bezug auf seine Liebesfähigkeit. Wir sind erlösungsbedürftig. Wir dürfen uns und die, die uns anvertraut sind, Gott und seiner Liebe anvertrauen. Unsere Macht ist begrenzt. Aber sie ist da. Und damit auch unsere Verantwortung. Füreinander. Gott sei Dank.

Amen

Freitag, 17. Januar 2014

In der Muckibude - Abschied vom Richtsberg - 2. So nach Epiphanias, 19.01.2014

Text: Hebräer 12,12-19.21-25a (Basisbibel)
Meine letzte Predigt als Pfarrer auf dem Richtsberg



Liebe Gemeinde!
Ich möchte jetzt mal drei starke Männer und drei starke Frauen hier vorne bei mir haben. (Falls tatsächlich Leute nach vorn kommen: einfach mal fragen, warum sie gekommen sind; falls nicht: Traut sich keiner? War die Frage zu stark und ihr seid zu schwach? Kommen in den Gottesdienst nur schwache Gestalten? Okay, mal im Ernst: Vielleicht denken ein paar: eigentlich könnte ich schon gehen, aber ich will ja nicht vor so vielen Leuten als Macker da stehen oder als Angeber-Tussi. Und möglicherweise denken ganz viele: Ach, ich doch nicht, ich bin doch nicht stark, da gibt’s doch ganz andere. Und manche sind vielleicht zu faul aufzustehen. Man sitzt ja gerade so bequem. Und ich glaube auch, dass viele denken: Was heißt das eigentlich, stark sein? Bin ich das?)
Bei Männern geht das oft über Körperkraft oder die Fähigkeit, seinen Willen durchzusetzen. Das sind starke Typen. Manchmal vielleicht auch die, die ordentlich was vertragen, beim Trinken oder bei Pöbeleien. Wer viel Schlucken und gut austeilen kann, den halten viele für stark. Bei Frauen sind das manchmal die, die einen super bezahlten Job haben, immer absolut begehrenswert aussehen, gut gestylt, und dazu noch eine Familie mit vier Kindern managen. Oder manchmal auch durchaus kräftige Frauen, die aber mit Humor und Durchsetzungskraft was zeigen. Fitnessstudio, Muskeln, Erfolge, vielleicht auch noch Top-Stimme, musikalisch, durch nichts aus der Ruhe zu bringen, egal ob bei Männer oder Frauen: das ist stark. Und so sollen wir jetzt auch alle werden. Stärkt euch! Haben wir gerade aus der Bibel gehört. Also: ihr seid jetzt sozusagen in der geistlichen Muckibude, damit euch der Alltag nichts anhaben kann, damit ihr fit seid für… - ja, für was eigentlich?
Natürlich für’s Leben, für was denn sonst?! Aber was heißt das denn? Ich glaube nicht, dass echte Stärke an solchen Äußerlichkeiten wie tollen Muskeln oder einer nach Medienmaßstäben perfekten Figur auch nach dem dritten Kind abzulesen ist. Selbst am dicken Bankkonto und schönen Haus und ich glaube auch noch nicht mal an der Menge der Freunde und Bekannten lässt sich wahre Stärke ablesen. Wirklich stark ist der, der Schwäche nicht verstecken muss. Und das liebe ich an Gott, an Jesus, an der Bibel, dass es da nicht um irgendwelche absurden Superhelden geht, nicht um die Gesetze des Marktes, sondern um echtes Leben, das auch seine Macken hat. Der, der Schwäche zulassen kann, ist am Ende der, der das Leben gewinnt. So, wie es bei Jesus ist. Der kannte das Gefühl, am Ende zu sein. Der lief auch vor dem Sterben nicht weg, der hat sich nicht aus dem Leben rausgezaubert, sondern der lebt mit allen Konsequenzen, auch mit der Schwäche und dem Tod – und hat alles gewonnen. Liebe, die stärker als der Tod ist. Leben, das den ins Recht setzt, dem andere Unrecht tun. Leben auch für die, die sich selbst für zu schwach, zu klein, zu dumm halten. Stark ist der, der die Schwächen nicht verstecken muss. Macht die erschlafften Hände und die erlahmten Knie wieder stark!  Das rechnet ja schon mit Momenten der Schwäche. Auch im Glauben an Gott. Habt keine Angst davor! Weder bei euch noch bei anderen! Ich find‘s schön, was hier steht. Ihr  müsst nicht die sein, die immer strahlen. Ermutigt euch. Lasst keinen zurück! Achtet auf die, die nicht mitkommen! Sich selbst und andere stark machen! Für mich ist das eine der schönsten Beschreibungen dafür, was der Glauben an Gott eigentlich in diesem Leben, im Alltag, in dieser Welt soll. Ich habe in den knapp sechseinhalb Jahren als Pfarrer auf dem Richtsberg davon viel erlebt. Von dem, was es heißt, gestärkt zu werden. Nur ein paar Highlights aus meiner geistlichen Muckibude: die Seniorennachmittage. Meistens kamen gar nicht viele Leute zusammen. Wenn es nach der Marktlogik geht, eigentlich viel zu wenig Leute für den Aufwand. Aber ich fand es beeindruckend, wie Menschen, die ihr Kind oder ihren Ehepartner verloren haben, gerade hier wieder Mut gefasst haben. Das hat auch mir Kraft gegeben. Ich durfte Gott hier bei der Arbeit zugucken. Ganz

Samstag, 11. Januar 2014

Kannste knicken?! - Nein!, 1. Sonntag nach Epiphanias, 12.01.14, Reihe VI

Text: Jesaja 42,1-4


Liebe Gemeinde!
Moment, darf ich mal? Ich hab nicht so viel! Schon weit vor der Kasse ruft die Frau das durch den Laden. Und bevor überhaupt jemand antworten kann, hat sie sich an der Kasse schon vorgedrängelt. Ich hab’s echt eilig, mein Bus geht gleich! Lautstark macht sie sich bemerkbar, schon wieder einen Platz weiter vorn ergattert. Und dann steht das schüchterne Mädchen an der Kasse, in der Hand nur eine Dose Cola und einen Beutel Gummibären, sie ist still, hat gerade schon den alten Herrn mit den Krücken vorgelassen. Und eh sie sich’s versieht ist die laute Dränglerin, die auf dem Recht, ihren Bus zu kriegen, besteht, auch noch vor ihr. Mit fast vollem Korb. Mist, denkt das Mädchen. Jetzt komme ich nach der Pause doch zu spät in die Schule und krieg schon wieder Ärger mit Frau Schulze. Aber sie sagt nichts. Die Lauten kommen voran, die Drängler, die keine Rücksicht auf Verlust nehmen. Wer leise ist, zurücksteckt, vielleicht auch tatsächlich noch für andere, die kaum noch stehen können, Platz macht, wer Menschen in Not hilft und nicht vorbeigeht, wenn’s einem selber nichts bringt, der kommt nicht vorwärts. Der bleibt hintendran, nicht nur an der Supermarktkasse. Der wird geknechtet, der bleibt Knecht. So ist das Bild, so wird’s immer wieder erzählt und deshalb scheint es immer zu einem gängigen Lebensmuster zu werden, dass sich jeder das, von dem er glaubt, dass es ihm oder hr zustehen müsste, nimmt. Ohne Rücksicht auf Verluste eben. Soll doch jeder selber für sich sorgen. Und wenn dabei einer, der sowieso schon leidet, untergeht – selber Schuld. Ich zuerst – an der Supermarktkasse genauso wie im Umgang zum Beispiel mit Flüchtlingen aus Syrien. Millionen sind auf der Flucht. Der arme Libanon hat über 1 Million Flüchtlinge aufgenommen. Und das reiche Deutschland lässt sich dafür feiern, dass es maximal 10.00 Menschen aufnehmen will. Ich zuerst – auch im Umgang mit Menschen, die noch gar nicht da sind. Mit Rumänen und Bulgaren, denen erst einmal pauschal unterstellt wird, nur auf deutsche Sozialleistungen aus zu sein. Ich bin kein Romantiker, der glaubt, das deutsche Sozialsystem sei unendlich belastbar oder der glaubt, dass das Miteinander von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit sehr unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen spannungsfrei möglich ist, wenn alle sich nur Mühe geben. Nein. Es gibt Probleme, es wird welche geben und Menschen sollen tatsächlich auch Verantwortung für sich und ihr Leben übernehmen und das, was sie können, auch selbst in die Hand nehmen. Aber das ist immer unterschiedlich viel und es geschieht mit ganz unterschiedlichen Begabungen oder Voraussetzungen. Ich bin kein Romantiker, ich bin Christ. Und als Christ höre ich auch das, was ein Prophet, dem der Name Jesaja gegeben wurde, als Gottes Wort weitergibt.
Von Gottes Knecht ist da die Rede, von dem, der von Gott gehalten wird , der Gottes Geist hat, der auserwählt ist und der das Recht zu den Völkern bringt, gerade auch zu den Menschen, die Gott gar nicht kennen. Knecht – das hört sich im Deutschen so abschätzig an. Knecht – das ist einer mit wenig oder keinen Rechten, einer der ganz