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Dienstag, 24. Dezember 2013

Freu dich - endlich! 2. Weihnachtstag 2014, Predigttext ohne Reihe



Text: Zefanja 3,14-17 (ohne Reihe)

Liebe Gemeinde!
Freude über Freude! Freu dich endlich! Du hast jeden Grund dazu! Freu dich, es ist Weihnachten! Freu dich, dass du ein Dach über dem Kopf hast! Freu dich über das gute Essen! Freu dich über die Verwandten, die Kinder, die Eltern, die Großeltern, die Freunde, über alle einfach, die du in diesen Tagen siehst, gesehen hast, sehen wirst! Freu dich über die Geschenke! Freu dich! Freu dich, dass morgen endlich mal kein Feiertag ist, dass morgen alles vorbei ist!
Mich erschlägt sie oft genug, die Aufforderung, mich zu freuen. Als ob man Freude mit einem Schalter anknipsen könnte! Ich freue mich über vieles, auch über Weihnachten. Ich freue mich, dass ich keine Not leiden muss, sondern, im Gegenteil, manchmal bei anderen ein bisschen Not lindern kann. Ich freue mich, dass ich mit ihnen Gottesdienst feiern kann und ich freue mich, dass wir gleich nach der Predigt das passende Lied zu dem Predigttext singen werden. Und worüber freuen sie sich? Worüber haben sie sich in den letzten Tagen gefreut? Oder hatten sie vielleicht wenig oder gar keinen Grund gefunden, sich zu freuen? Wie gesagt, Freude kann keiner befehlen. „Jetzt freu dich doch über das Geschenk von Tante Martha!“ – diese Aufforderung ist völlig sinnlos, wenn das Geschenk eben nicht den Geschmack trifft und man sich höchstens darüber freut, dass Tante Martha an einen gedacht hat. Wer Kinder hat oder sich an die eigene Kindheit erinnert, weiß vielleicht gerade davon in diesen Tagen ein langes Lied zu singen. Wie das ist, wenn man sich freuen soll und artig Danke sagen soll und einem gar nicht so recht danach ist. Freude kann man nicht befehlen. Und je mehr dann darauf bestanden wird, dass man sich doch eigentlich gefälligst freuen soll, desto mehr Widerstand kommt oft. Freude kann man nicht anknipsen.
Aber Freude kann man auch nicht ausknipsen, wenn sie da ist und echt ist. Das ist das tolle an ihr. Kurz vor Weihnachten hatte ich ein langes Gespräch mit einer jungen Frau. „Ich bin ein totaler Weihnachtsfreak und freu mich voll auf Weihnachten“ hat sie gesagt  – und dann hat sie mir erzählt, was ihr da alles wichtig ist. Und das waren nicht nur Geschenke, die Frau glaubt an Gott und ihr ist auch der Inhalt wichtig. Aber eben auch viele äußere Sachen. Auch, dass sie Weihnachten in ihrer Familie feiert. Und dann hat sie mir von ihrer Familie erzählt. Der Vater körperlich schwer krank, die Mutter psychisch krank. Und kurz vor der Scheidung. Der kleine Bruder, noch keine 18, ist seit vielen Jahren abhängig von Alkohol und Drogen und dadurch belügt, betrügt und bestiehlt er die ganze Familie. Und Weihnachten ist diese chaotische und kaputte Familie zusammen, Streit vorprogrammiert, und trotzdem freut sich die junge Frau. Freude kann man nicht verbieten und nicht ausknipsen.
Jauchze, Tochter Zion, frohlocke, Israel, sei fröhlich von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! Alle Worte, die es in der hebräischen Bibel zur Beschreibung von Freude gibt, kommen in den Versen, die ich eben vorgelesen habe, vor, und in der deutschen Übersetzung ist das ja ähnlich. Tochter Zion, das steht mehr oder weniger für den Mittelpunkt der Welt. Der Zion, das ist der Berg, an dem alle Welt zusammenkommen wird, um Gott zu erkennen, um Frieden zu finden, um die Gerechtigkeit und Liebe zu erfahren, die Gott aller Welt schenkt. Zum Zion werden nicht nur die Menschen, die immer schon an Gott glaubten kommen, sondern auch die Menschen aus allen Völkern und Religionen, die guten Willens sind. Eine Hoffnung, die nicht erst durch Jesus in diese Welt gekommen ist, sondern die schon durch die Propheten wachgehalten wurde. Dabei ist der Zion kein beeindruckender Berg wie der Mount Everest oder der Watzmann. Er ist eher ein Hügel, gegen den selbst Vogelsberg und Rhön
fast wie Hochgebirge anmuten. Und selbst in Israel gibt es sehr viele beeindruckendere Erhebungen. Aber ausgerechnet der Zion ist der Ort der Sehnsucht und der Freude und der Hoffnung für Juden in der ganzen Welt, bis heute. Gottes Stärke, Gottes Größe und Güte, das alles braucht nicht die äußere Mächtigkeit und Gewalt, um zu beeindrucken. Gott hat deine Strafe weggenommen, deine Feinde abgewendet, du musst kein Unheil mehr fürchten – Grund zur Freude für die Menschen, die auf Gott warten, die sich nach Frieden sehnen, denen Gerechtigkeit und Lebenssinn abhanden zu kommen drohen. Und das manchmal ja auch aus eigenem Unvermögen, aus eigener Schuld. Freude, die deshalb da ist, weil sie mit einer guten Zukunft rechnet. Nicht mit materiellem Wohlstand oder ewiger Gesundheit, sondern damit, dass am Ende Gottes Liebe alles zusammenführt, was jetzt als schwer und schmerzhalft empfunden wird. Vielleicht ist das, mehr geahnt als gewusst, der Grund, warum sich die junge Frau, von der ich Ihnen eben erzählt habe, aus vollem Herzen freuen kann, obwohl alles rund um ihr Leben und ihre Familie nach den alltäglichen, scheinbar objektiven Maßstäben, eher trübe und düster ist und Weihnachten sicher nicht besonders kuschlig in ihrer Familie war. „Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint; ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle; ich glaube an das Gute, auch wenn ich es nicht sehe; ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt.“ Ein Jude im Warschauer Ghetto hat dieses Bekenntnis aufgeschrieben, und für mich drückt sich in diesen Worten das aus, was die Freude, von der der Prophet redet, die Freude, die die junge Frau empfindet und das, was wir ja an Weihnachten feiern, zusammenbringt und zusammenhält. Die Welt ist nicht einfach gut und schön, auch nicht zu Weihnachten. Dadurch, dass Gott uns Menschen zu seinem Bild geschaffen hat, und damit hat er uns auch die Freiheit, zu entscheiden und zu handeln gegeben, dadurch haben wir die Möglichkeit, uns für das Falsche zu entscheiden. Und diese Möglichkeit haben wir reichlich genutzt und uns vor das Gute und die Liebe gestellt, so dass andere auch durch unsere Schuld das nicht erkennen konnten.  Aber trotz allem gibt Gott uns nicht auf, trotz allem erfahren Menschen Liebe und Grund zur Freude. Eben gerade dadurch, dass Gott gnädig ist, dass er nicht auf Recht und Bestrafung besteht, sondern Wege zum Leben öffnet. Als Christen glauben wird, dass Jesus die Erfüllung dieser Zusagen ist. Der Zion ist nicht der höchste Berg der Welt – und trotzdem Ort der Sehnsucht nach Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, Erfüllung. Jesus ist nicht der Superheld, der mit Superkräften reinhaut und alles vernichtet – aber in ihm wird lebendig, was Liebe wirklich bedeutet und wie mächtig Vergebung ist. Weder die Verheißungen der Propheten noch die Geburt Jesu haben schlimme Erfahrungen und Böses aus der Welt gebracht. Auch nicht in den Weihnachtstagen. Aber beides lässt vielleicht die Hoffnung auch im eigenen Leben wachsen und die Freude größer werden. die Freude über das, was möglich und am Ende wirklich mächtig ist, was größer ist als alles, was sich an dunklen Erfahrungen, an Sonne, die nicht scheint, an Liebe, die nicht gespürt werden kann vor Gott und die Liebe gestellt hat. Es geht nicht darum, auch nicht zu Weihnachten, die Wirklichkeit schön zu reden oder gar schön zu fressen oder zu saufen. Es geht darum, tiefer zu sehen. Und deshalb war das vorweihnachtliche Gespräch mit dieser jungen Frau für mich ein so großes Geschenk, weil sie mich gelehrt hat, wirklich tiefer zu sehen – gerade dadurch, dass sie ihre Wirklichkeit nicht ausgeblendet hat, sondern den Mut hatte, die Freude, die Gott schenkt, schon im Alltag vorwegzunehmen.
Aber diese Freude ist nicht die einzige Freude, von der der Prophet erzählt. Am Ende kommt noch etwas anderes: Gott freut sich. Es wird gar kein Grund der Freude erzählt. Es wird nicht erzählt, dass Gott sich freu, weil die Menschen endlich mal alle Gebote halten oder in Frieden leben oder endlich alles teilen. Nein, Gott wird sich freuen. Einfach so. An seinen Menschen, an den Menschen. Weil er sie liebt. So sehr, und das ist eben unsere Überzeugung als Christen, dass er selbst Mensch geworden ist. Größere Liebe gibt es nicht als die, dass Gott durch Mitmenschlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes zeigt, dass wir wirklich zu ihm gehören. Worüber könnte, sollte sich Gott bei mir, in meinem Leben freuen? Bei Ihnen? Bei dir? Mir fällt eigentlich immer eher das ein, worüber er sich ganz bestimmt nicht freuen kann. Aber vielleicht hilft uns ja Weihnachten wirklich, vielleicht helfen uns diese alten prophetischen Texte, die garnichtmal direkt auf Jesus gemünzt sind, tatsächlich, die Perspektive zu wechseln. So, wie Gott die Perspektive wechselt und Mensch wird, so können wir das Leben mit den Augen der Lieb und Freude, die von Gott kommt, anschauen und Leben vielleicht auch dort ein bisschen heller werden lassen, wo zuerst nur dunkel und wenig Freudiges gesehen wird. Gott freut sich – und wir dürfen uns mitfreuen. Freue dich, Tochter Zion. Jauchze laut, junge Frau, die du alles andere als eine perfekte Familie hast. Und danke, Gott und danke dieser jungen Frau, dass Liebe und Freude kein leerer Befehl bleiben, sondern da sein dürfen. Trotz allem, in allem. Hier und jetzt in dieser Welt.
Amen.

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