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Freitag, 6. Dezember 2013

Erlösung! - 2. Advent, 08.12.2013, "außerdem" Text der EKKW

Text: Lukas 1,57-66


Liebe Gemeinde!
„Der Tod war für ihn eine Erlösung.“ Immer wieder habe ich diesen Satz in den vergangenen zweiundzwanzig Jahren bei Beerdigungsgesprächen gehört. Er muss nun nicht mehr leiden. Sie muss nun nicht mehr bei wachem Verstand miterleben, wie die Krankheit ihr jede Freiheit nimmt. Er liegt nun nicht mehr als wimmerndes Häufchen Elend im Bett eines Altersheims, wo er doch so stolz auf das eigene Haus und seine Körperkraft war. Sie muss nun nicht mehr die Schmerzen aushalten, die ihr der Krebs bereitet hat. Der Tod als Erlösung. Immer mal wieder. Immer mal wieder, wenn auch seltener, höre ich: „Der Tod war für uns eine Erlösung“. Jetzt müssen wir nicht mehr die Schreie in der Nacht hören, nicht mehr mitansehen, wie die geliebte Mutter uns fremd wird, nicht mehr im eigenen Haus gefangen sein, weil sich alles nur noch um die Pflege dreht. Erlösung, Freiheit. Hier oft sehr dramatisch, manchmal im Alltag viel weniger dramatisch.
In zwölf Tagen sind die Schülerinnen und Schüler erst einmal von dem Stress erlöst, gerade in der Adventszeit unheimlich viele Arbeiten schrieben zu müssen, Angst vor dem eigenen Nichtwissen zu haben und morgens früh aufstehen zu müssen. Und die Lehrer sind dann von motzigen, unmotivierten Schülern erlöst. Freiheit auf Zeit, ein Stück Erlösung, immerhin.
Erlösend ist es auch, wenn die Angebetete endlich „Ja“ sagt – oder der Angebetete. Frisch verliebt, man weiß nicht, wohin mit den Gefühlen, dann die Angst: „Liebt er, liebt sie mich auch? Blamiere ich mich, wenn ich meine Liebe gestehe?“ Nächte, schwitzige Hände – und dann: die Liebe ist gegenseitig! Eine Erlösung! Endlich frei von Angst und freie Fahrt für die Liebe. Welche Erlösung!
Und wir beten um Erlösung. Immer neu, immer wieder, manchmal auch ernsthaft und nicht nur, weil’s im Gottesdienst oder in Konfer gerade alle sprechen. „Erlöse uns von dem Bösen“. Mache uns frei, im Kopf, im Herzen, in den Händen, wirklich das Richtige zu tun. Lass uns so frei sein, unserem Egoismus ein Schnippchen zu schlagen. Hilf uns, so frei zu sein, nicht zu verzweifeln und nicht nur das Dunkle zu sehen. gib uns den Mut, zu handeln, wenn es nötig ist und etwas zu lassen, wenn es falsch ist. Mach uns frei. Zum Guten. Erlöse uns. Von dem Bösen.
Von einer Erlösung erzählt auch der Predigttext für heute. Lukas hat die Geschichte von der Geburt Johannes des Täufers aufgeschrieben. Und dabei erzählt er, wie Zacharias, der Vater von Johannes, erlöst wird.

Lesen: Lk 1,57-66

 Zacharias wird erlöst. Er kann wieder sprechen, jubeln, danken, loben – und später vielleicht auch mal mit seinem Kind schimpfen, das sicher auch – aber er wird frei. Seine Zunge löst sich. Erlösung. Und die Leute drumherum, die Nachbarn, Verwandten, Freunde,  danach auch viele Fremde, überall in der Gegend, die sehen hier Gott am Werk. Wenn schon die Namensgebung eines Kindes so was auslösen kann, was muss das dann für ein Kind sein? Das kann nur mit Gott in Verbindung sein. Da sind sie sich einig. Und irgendwie ist ihnen das unheimlich. Aber der Reihe nach.
Wie kommt es überhaupt dazu, dass Zacharias seine Sprache verliert und kein Wort mehr rausbringt? Wieso braucht er überhaupt Erlösung? Zacharias war Priester. Ein guter, frommer Mann. Er und
seine Frau Elisabet waren schon richtig alt. Viel zu alt zum Kinderkriegen. Eine Schande in der damaligen Zeit. Und alle dachten, auch wenn sie es nicht laut sagten, dass Gott da Zacharias und Elisabet wohl für irgendetwas bestraft. die beiden waren traurig, klar. Aber sie haben den Glauben nicht verloren, immer wieder um Kinder gebetet. Und als es endlich soweit war, als die Gebete erhört wurden und Elisabet trotz ihres eigentlich viel zu hohen Alters schwanger wurde, da konnte und wollte Zacharias es nicht wahrhaben. „Das kann nicht sein!“ Zacharias glaubte, es besser als Gott zu wissen. Er war, obwohl er so fromm war, noch nicht bereit, die Gnade, das Geschenk von Gott, wirklich anzunehmen. Johannes – „Gott ist gnädig“ oder „Gott hat Gnade gezeigt“ oder, übertragen, auch „Geschenk Gottes“, so sollte das Kind heißen. Johannes kann das noch nicht annehmen. Er bleibt gefangen. In seiner Welt, in seinem Denken und ihm fehlen dann die Worte, tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes.
Und dann ist das Kind da. Und wie das so ist: Jeder weiß alles besser. Ich glaube, manche Eltern können ein Lied davon singen, wie gutgemeinte Ratschläge von Verwandten und Freunden manchmal ein wenig viel werden. „Das Kind muss wie der Vater heißen!“ „Wenigstens doch wie ein anderer Verwandter, du kannst doch die Verwandten nicht so einfach übergehen!“ Ich stelle mir ein ziemliches Durcheinander vor, dass Elisabeth, die Mutter, auszuhalten hatte. Viele Leute, viel Gewusel – und jeder weiß es besser. Auf die Mutter, die ja alt und noch dazu unerfahren ist, da wird erst mal keine Rücksicht genommen. Typisch?!
Auf jeden Fall soll dann der Vater ran. Und ein Machtwort sprechen. Ach ja, sprechen kann er ja nicht. also: ein Machtwort schreiben! Der wird schon den richtigen Namen wissen und der Menge, die wenigstens auf einen Verwandtennamen besteht, Recht geben. Und wenn’s aus Stolz ist. So kalkuliert die Menge. Aber Zacharias reagiert eben anders. Gottes Geschenk, Gott hat sich gnädig gezeigt – Johannes, so, wie es Gottes Wille ist, so, wie Elisabeth, seine Frau wollte, so soll es sein. Und in dem Moment, in dem er sich einklinken kann in den Weg Gottes mit ihm und seiner Familie, in dem Moment, in dem er das Geschenk wirklich aus ganzem Herzen annehmen kann, findet er Erlösung. Seine Zunge löst sich. Er findet die Worte wieder. Dank, Jubel, Freude, das alles bricht aus ihm heraus.
Erlösung heißt nicht Freiheit um jeden Preis, nicht totale Selbstverwirklichung. Erlösung heißt loslassen können, abgeben können, sich in Gottes Hand geben können, Vertrauen zu finden. Das macht für mich nicht nur diese Bibelgeschichte deutlich, das zeigen für mich auch die Alltagsbeispiele vom Anfang. Die Ferien zum Beispiel, die sind ja keine echte, dauernde Erlösung, sondern Atempause, Zeit zum Luftholen, dann geht’s mit dem, was manchmal schön, manchmal aber auch nervig und schwer ist, weiter. Anders ist das beim Tod und in der Liebe. Um den Tod als Erlösung wirklich annehmen oder erfahren zu können, muss ich auch den Schmerz eingestehen können, den der Tod bereitet. Und wenn ich keine Hoffnung habe für das, was kommt, dann werde ich auch nicht wirklich die Erlösung fühlen. Erlösung werde ich, glaube ich wenigstens, am ehesten dann spüren, wenn ich als der, der in diesem Leben zurückbleibt, darauf hoffen kann, dass Gottes Hand und Liebe auch da halten und keine Grenze haben, wo mein wollen, Können und Verstehen an ein totales Ende kommt. Und wenn ich als der, der aus dieser Welt geht, hoffen kann, dass die, die bleiben, und ich, der geht, nicht in ein Loch fallen, sondern von Gott gehalten werden, dann kann ich zwar nicht leicht, aber leichter loslassen und ein Stück Erlösung fühlen. Hoffe ich wenigstens.
Und in der Liebe: wenn ich mich nicht traue, einem andere Menschen Liebe zu zeigen und Liebe zu gestehen und  mich nicht verletzlich mache, werde ich nie erfahren, was es bedeutet und wie es sich anfühlt, wenn Liebe erwidert wird.
Und hier bin ich wieder bei Gott und Zacharias und Johannes und Jesus. Gott zwingt Menschen nicht, seine Geschenke, seine Gnade und Liebe anzunehmen. Menschen brauchen oft Zeit, wie Zacharias. Aber wer das Geschenk annehmen will, wer Gnade und Liebe erfahren will, wer Erlösung erleben will, der muss wohl auch loslassen können. Eigene Vorstellungen genauso wie die Einflüsterungen von denen, die immer alles besser wissen. Als Zacharias seien Vorstellungen loslassen kann und nicht auf die hört, die angeblich alles besser wissen, erfährt er Erlösung. Der Weg Gottes ist es, Gnade, Liebe, Geschenke anzubieten. Der Weg des Menschen, unser Weg, ist es, die dann auch anzunehmen und etwas damit zu wagen. Darauf hat dann Johannes, das Geschenk Gottes, der Sohn von Elisabeth und Zacharias, hingewiesen. Liebe erfahre ich nicht ohne Umkehr von falschen Wegen. Die Liebe ist zwar da, aber die Kraft der Liebe erfahre ich erst, wenn ich falsche Wege verlasse und mich auf den Weg der Liebe begebe. So hat er auf Jesus hingewiesen. Und so verstehe ich auch Advent. wir feiern nicht, dass Gottes Liebe und Gnade ankommt. Sie ist ja schon längst da. Sondern wir feiern, dass er uns immer wieder neu die Gelegenheit gibt, diese Liebe und Gnade nicht nur zu sehen, sondern sie auch anzunehmen, das Geschenk auszupacken und Erlösung zu erleben. Besinnung, die sich nicht in Plätzchen, Tee oder Glühwein und Kerzen erschöpft, sondern Besinnung, die mir hilft, loszulassen. Meine Vorstellungen, Wünsche, Vermutungen, die mir oft den Blick auf das verstellen, was nötig und gut ist. Für mich und andere. Gebe Gott, dass wir wirklich zur Besinnung kommen.
Amen.

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