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Samstag, 18. Mai 2013

Fischmarkt, Flatrate, Inklusion - Pfingsten 2013 (Reihe II statt Reihe V)

Text: 1. Korinther 12,4-11 (Pfingstmontag, Reihe II)

Predigt Pfingstsonntag 13, 18.05.13, Reihe II Pfingstmontag
Text: 1. Kor 12,4-11

Liebe Gemeinde!
Hamburg, Fischmarkt, bei Aal-Paul: „Kommen sie näher, kommen sie ran! Diese schöne Scholle hier gibt’s heute für nur 15 Euro! Und wissen sie was, ich pack ihnen für 15 Euro nicht nur die Scholle ein, heute gibt’s auch noch diese Heringe dazu! Und nur heute, und nur weil Feiertag ist, pack ich auch noch zwei leckere Räucherforellen dazu! Und, gute Frau, weil sie so schön lächeln, gibt’s dann noch den Räucheraal gratis! Kommen sie näher, kommen sie ran, nur heute hier beim Aal-Paul: Diese schöne Scholle und die Heringe und die Räucherforellen und den Räucheraal und hier und heute noch dazu eine Portion leckerer Nordseekrabben und das alles in einer Tüte und für nur 15 Euro! Sonst kostet allein schon die Scholle so viel! Greifen sie zu!“ Natürlich wissen die meisten, dass der Fischhändler schon vorher die Preise für alles kalkuliert hat und er mit den 15 Euro auf seine Kosten kommt und nichts zu verschenken hat. Aber es ist ein gutes Gefühl, ganz viel eingepackt zu bekommen und zu glauben, man bekäme dabei ganz viel geschenkt. Beim Telefonieren mit den heute üblichen Flatrates ist das ja ähnlich. Einmal bezahlt – und schon kann man so oft, wie man will, telefonieren, SMS schreiben und im Internet surfen und hat das Gefühl, ein Schnäppchen zu machen. Natürlich haben auch die Telefongesellschaften nachgerechnet. Damit wenige ein Schnäppchen machen, bezahlen viele eigentlich zu viel, aber es ist halt ein schönes Gefühl, ganz viel eingepackt zu bekommen. Obwohl wir eigentlich wissen, dass es nichts geschenkt gibt, nutzen wir das trotzdem mit dem Gefühl, etwas geschenkt bekommen zu haben.
Komischerweise scheint das aber dort, wo wirklich was verschenkt wird, gar nicht so gut zu funktionieren. Paulus schreibt der Gemeinde in Korinth davon, wie viel der eine Gott verschenkt. Es gibt ganz viele und ganz unterschiedliche Begabungen, ganz viele und ganz unterschiedliche Ämter, die Menschen ausüben und ganz viele und unterschiedliche Kräfte und Möglichkeiten. Aber in allem wirkt der Geist des einen Gottes. In allem ist Gott selbst am Werk. Ganz viel wird eingepackt in die große Gemeinschaft der Menschen, die sich auf Jesus berufen und die auf Gott vertrauen – und manchmal habe ich bis heute den Eindruck, dass wir diese Megaflatrate, bei der wir wirklich profitieren und nichts draufzahlen, diese wirklich kostenlose Riesentüte mit allem, was man sich an Schönem vorstellen kann, gar nicht haben wollen. Zwei Haltungen begegnen mir oft bis heute. Die eine Haltung ist die: Was nicht so ist wie das, was ich selber habe, was ich kenne und was ich selber gut finde, ist nicht richtig und gehört nicht dazu. Das soll draußen bleiben, das will und brauche ich nicht. Da werden Möglichkeiten, Geschenke, Gaben, abgelehnt, weil sie anders sind, weil sie nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen. Im Bild der Fischtüte hieße das, den Aal und die Krabben und den Hering vielleicht dem Fischhändler zurückzugeben, weil ich sie nicht mag, statt sie sich einpacken zu lassen und zu überlegen, ob ich vielleicht jemanden kenne, dem genau das schmeckt und der sich über genau dieses Geschenk freut oder es dringend braucht. Ich will nur das, was meinem Geschmack entspricht. Die Haltung gibt es auch im Glauben.
Die andere Haltung ist die, nicht auf das zu schauen, was ich habe, und damit dann was anzufangen, sondern immer zu glauben, das, was andere haben, wäre besser und richtiger. Im Bild der Fischtüte hieße das: der nächste Kunde bekäme vielleicht Lachs statt Krabben und Thunfisch statt Forelle eingepackt. Und auf einmal wollte ich unbedingt das andere, obwohl ich bis dahin mit meinem eigentlich ganz zufrieden war, weil das andere ja möglicherweise besser oder mehr Fisch ist.
Beides sind Haltungen, die eben nicht nur auf dem Fischmarkt möglich sind

Freitag, 10. Mai 2013

Wir gehören doch zu den Guten, wir haben die Wahrheit! - Exaudi, 12.05.13, Reihe V

Text: Johannes 14,15-19
Liebe Gemeinde!
„Die Welt wird es nicht verstehen und nicht sehen können, aber ihr werdet die Wahrheit erkennen!“ Es ist alles andere als ungefährlich, was Jesus hier sagt. Mit dem Muster, dass die Welt schlecht ist, man selbst aber zu den Guten gehört und vor allem die Wahrheit im Gegensatz zu den anderen kennt, versuchen immer wieder und seit allen Zeiten Terroristen, Selbstmordattentäter, radikale Fundamentalisten, Amokläufer ihre Taten zu begründen. Das funktioniert eben nicht nur in manchen missverstandenen islamischen  Zusammenhängen so, das gibt es auch in Zusammenhängen, die sich christlich verstehen. Wir hier drinnen sind die Guten, die da draußen haben keine Ahnung und können, dürfen, müssen bekämpft werden. Mir  fällt das auch manchmal in Gesprächen über Moscheeneubauten oder die Umwidmung leerstehender Kirchengebäude auf. Selbst Menschen, die jahrelang außerhalb des Urlaubs, in dem sie vielleicht eine historisch wertvolle Kirche besichtigt haben, keine Kirche mehr von innen gesehen haben, rufen plötzlich dazu auf, sich gegen gefühlte Multikulti- und Islamisierungstendenzen zu wehren. Wir gehören doch zu den Guten, wir haben die Wahrheit!
Wir leben in der Welt! In einer Welt, die in manchem sicher ganz anders ist, als zu der Zeit, in der Jesus seinen Jüngern das mit auf den Weg gegeben hat oder der Evangelist, den wir als Johannes kennen, das aufgeschrieben hat. Wir leben in der Welt – und die Jünger Jesu, die Gemeinden der ersten Zeit lebten auch in der Welt. Wo denn auch sonst? Ich glaube auch nicht, dass Jesus hier oder anderer Stelle zur Flucht in eine Parallelwelt aufrufen will. Im Gegenteil. „Der Vater sendet euch einen – und jetzt wird es schwer, das Wort, das im Johannesevangelium hier überliefert ist, zu übersetzen – der Vater sendet euch einen Tröster, Beistand, Fürsprecher, der euch hilft, mitten in der Welt, in der ihr lebt, die Wahrheit zu sehen und in der Wahrheit zu bleiben und zu leben, die Wahrheit nicht zu verraten.“ Welche Wahrheit eigentlich und vor allem: was ist die Welt, in der wir doch Christen, und von der wir doch auch ein Teil sind?
Was ist die Welt? Jesus meint hier in erster Linie keinen Ort, der in seiner Position im Weltall definiert werden kann, sondern eine bestimmte Lebenseinstellung. Welt ist hier auch die Lebenshaltung, die sich selbst genügt, die sich ständig auf sich selbst bezieht. Und dazu gehört auch die Unfähigkeit, Schuld wirklich zu sehen und auch anzunehmen und so auch die Unfähigkeit, Vergebung anzunehmen und anderen zu vergeben. Bis heute leben wir oft in einer Kultur der permanenten Selbstentschuldigung, der ständigen Suche nach Ausflüchten, des Zeigens auf den oder die Anderen. Beispiel Steuern zahlen. Wer macht das schon gern? Wer nutzt da nicht gern legale Schlupflöcher, auch wenn sie vielleicht nicht richtig sind, oder vergisst einfach mal, was anzugeben, in der Hoffnung, dass es nicht auffällt. Sind ja nur kleine Beträge. Und außerdem: Unsere Steuergelder werden verschwendet. Da geht zu wenig in die Förderung von Familien mit Kindern, stattdessen wird zum Beispiel Amazon, der amerikanische Internetkonzern, für die Ansiedlung in Bad Hersfeld und bei Leipzig mit Millionen gefördert. Dafür zahl ich doch nicht!

Freitag, 3. Mai 2013

Austauschen anstatt nur zu reden - Rogate, 05.05.2013, Reihe V

Text: Matthäus 6,7-15
Liebe Gemeinde!
„Beten heißt: mit Gott zu reden!“ – Ich bin schon froh, wenn im Konfirmandenunterricht oder in der Schule wenigstens das als Aussage kommt und das Gebet nicht völlig unbekannt ist. Und vor lauter Begeisterung, dass da so etwas wie eine Ahnung oder sogar eine tatsächliche Gebetspraxis ist, schließe ich dann oft noch an: „Ja, du kannst mit Gott wirklich reden, du kannst ihm alles sagen, was dir wichtig ist!“ Natürlich ist das alles nicht falsch und ist gut biblisch. Aber je älter ich werde, desto mehr denke ich, dass ich dadurch nicht nur Jugendliche auf der Suche nach ihrem eigenen Glauben, nach ihrem Zugang zu Gott, auf eine missverständliche Spur schicke. Jesus sagt hier ganz deutlich: ein Gebet braucht nicht viele Worte. Es gibt Christen, die sehr viele Worte beim Beten machen. Und manchmal scheint es mir so, als würden Menschen glauben, dass Anliegen von Gott eher wahrgenommen würden, wenn ganz viele Menschen mit möglichst vielen Worten sozusagen den Gebetsdruck pro Quadratmeter auf Gott erhöhen würden. Jesus sagt hier ganz klar: das braucht es EIGENTLICH gar nicht. Bevor ihr anfangt zu reden, weiß Gott schon, was ihr wollt. Vielleicht sollte ich, auch wenn es sich viel weniger griffig anhört, Konfis und Schülern eher sagen: „Beten heißt: sich mit Gott auszutauschen“. Zum Austausch gehört auch das Stillwerden, das Hinhören, den anderen zu Wort kommen zu lassen. Austausch mit Gott, Beziehungspflege, nicht Totlabern – für mich steckt das ganz Wesentlich auch in den wenigen Worten, die Jesus uns als Gebet geschenkt hat. Das Gebet, das Jesus den Menschen empfiehlt und das Christen auf der ganzen Welt verbindet und das uns auch mit denen verbindet, die vor uns schon auf Christus vertraut haben, das öffnet mit ganz wenigen Worten eine riesige Welt des Austausches, der lebendigen Gottesbegegnung.
Da ist die Anrede: „Unser Vater im Himmel“. Wobei die deutsche Übersetzung „Vater“ eigentlich auch schon falsche Bilder produzieren kann. Manche haben vielleicht das Bild eines sehr strengen, autoritären Vaters, der notfalls auch mal zuschlägt. Oder haben eigene Erfahrungen mit einem Vater, der sich aus dem Staub gemacht hat und seine Verantwortung nicht wahrnimmt. Oder haben vielleicht gar keine Erfahrung mit einem Vater, weil er früh gestorben ist oder weil er durch den Beruf dauernd abwesend ist oder war oder sich einfach nicht gekümmert hat. Vater als bloßer Erzeuger oder als strenger Hüter der Tradition und der Regeln – Jesus benutzt eigentlich wörtlich ein ganz anderes Bild. „Papa, Paps, Vati, Dad“ – oder wie man auch immer den anredet, mit dem man zutiefst vertraut ist und dem man wirklich vertrauen kann. Gott nicht als den strengen Übervater oder den Schöpfer, der sich dann aber verabschiedet, sondern