Beliebte Posts

Freitag, 16. März 2012

Achtundzwanzig Tote bei Busunfall - Christus ist mein Leben, Sterben mein Gewinn?, Lätare, 18.03.2012, Reihe IV

Text: Philipper 1,15-21


Liebe Gemeinde!

Ungeheuerlich war die Meldung, die am Dienstag in den Nachrichten kam und auch an den folgenden Tagen der vergangenen Woche in den Schlagzeilen war. Zweiundzwanzig Schülerinnen und Schüler und sechs Erwachsene starben bei einem Busunfall in der Schweiz auf der Heimfahrt von einer Skifreizeit. Zweiundzwanzig Leben, die gerade erst begonnen hatten, die selbst noch so viele Pläne und Hoffnungen hatten, die von den Eltern, Geschwistern und Freunden mit so vielen Hoffnungen begleitet wurden einfach ausgelöscht. Und sechs weiter Leben, die allesamt sicher auch noch einiges an Hoffnungen, Liebe und Erwartungen hatten, die in Beziehung zu vielen anderen waren, auch. Zu Recht sind in den Druckausgaben der Lutherbibel manche Verse und Sätze fett gedruckt. Weil sie wichtig sind. Weil sie im Ge-dächtnis hängen bleiben. Auch im Predigttext, den ich eben vorgelesen habe, ist ein Satz fett gedruckt. Welcher das wohl ist, da muss man, glaube ich, gar nicht lang überlegen. „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.“ Sterben als Gewinn? Zu Recht würden mir wahrscheinlich, hoffentlich hätten sie noch die Kraft dazu, die Eltern der tödlich verunglückten Kinder, die Kinder der tödlich verunglückten Lehrer und Busfahrer die Bibel um die Ohren hauen, wenn ich ihnen das vorlesen würde.

„Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn“ – wie zynisch hört sich das an, wenn man diesen Vers Menschen vorliest, die mit den unaussprechlichen und unvorstellbaren Schrecken des Todes konfrontiert sind. dieser Satz lässt sich leicht so hören: „Das Leben in der Welt ist nichts wert, gib es weg, es gibt viel Besseres!“ Der Satz lässt sich leicht missbrauchen. Von Fanatikern. Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn - das kann zur gleichen Logik pervertiert werden, wie sie Selbstmordattentäter und andere Fanatiker haben. Es lohnt sich, sein Leben für etwas wegzuwerfen, weil am Ende eine Belohnung wartet. Ganz leicht lässt sich dieser eine Satz, der fett gedruckt ist, missbrauchen und missverstehen. als eine zynische Vertröstung, wenn man Schmerz nicht mit aushalten und mit teilen will. als eine zynische Geringschätzung des Lebens als Geschenk Gottes.

Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Ich h-be diesen Satz aber auch ganz anders erlebt. Als einen Trost für einen Schwerkranken, dessen Körper von Krebs zerfressen war, dessen Leben von Schmerzen gezeichnet war und der darauf wartete, dass die Schmerzen endlich ein Ende finden. Als eine Hoffnung einer alt gewordenen Dame, die einfach nur das Gefühl hatte, dass sie ihr Leben hier in dieser Welt gelebt hatte und die sich in ihrem Leben sicher war, dass Gott auch jenseits des Lebens, das sie kannte, mit seiner Liebe für sie da sein wird.

Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Ich kann von niemandem verlangen, dass er diesen Satz für gut, wichtig und hilfreich hält. Ich kann ihn anderen nicht als vermeintlichen Trost um die Ohren und Herzen hauen.

Samstag, 10. März 2012

Aller Anfang ist leicht - Okuli, 11.03.2012, Reihe IV

Text: 1. Petrus 1,13-21


Liebe Gemeinde!

Aller Anfang ist leicht! Na gut, vielleicht nicht aller An-fang. Aber ich glaube, es stimmt nicht, wenn man einfach so immer wieder sagt: „Aller Anfang ist schwer!“ Es gibt jede Menge Anfänge, die leicht sind. Da ist am Anfang ganz viel Schwung, ganz viel Lust, Neues zu sehen und zu entdecken. Für mich ist die Schule so ein Beispiel. Ganz, ganz viele Kinder freuen sich auf die Schule. Wenn ich in der Kita bei der Verabschiedung der Großen, in unserer Kita Berliner Str. sind das die „Wackelzähne“, dabei bin oder wenn ich den Gottesdienst für die Schulanfänger halte, dann ist bei den allermeisten Kindern ganz klar: Wir freuen uns auf die Schule und Lernen macht ganz viel Spaß. Im 8. Schuljahr sieht das ein bisschen anders aus. Lernen macht auch Mühe, nachdem es am Anfang oft ziemlich schnell vorwärts geht, stellen sich auch Misserfolge ein, Anderes wird auch wichtig. Der Anfang war leicht, aber das Durch-halten ist gar nicht so einfach. In einer Liebesbeziehung ist das manchmal so ähnlich. Wenn erstmal die erste Verliebtheit verflogen ist, wenn die Macken nach und nach rauskommen, wenn man sich auch öfter mal unausgeschlafen, gereizt und ungeschminkt begegnet ist, dann braucht man Stehvermögen, das manchmal auch Kraft kostet. Und ich denke, dass es im Glauben an Jesus so ähnlich ist. Und auch früher schon so ähnlich war. Der Anfang ist oft gar nicht so schwer. Da begegnet man Menschen, die einen faszinieren, die einem ganz toll von Jesus erzählen und die das auch ganz überzeugend vorleben. da hat man Power und Lust, es selbst mal zu probieren, man merkt, dass es ganz gut klappt. Aber dann kommt der Alltag. Nicht alles, was man sich vom Glauben erhofft hat, trifft sofort ein. Es gibt Rückschläge und man merkt mehr oder weniger schnell, dass auch guten Menschen Böses passiert.

Für so eine ähnliche Situation vor fast 2000 Jahren ist auch der Brief geschrieben, aus dem der Predigttext für heute ist. Es ist der erste Petrusbrief. Ziemlich schnell hat der Glauben an Jesus damals neue Anhänger gefunden. Kein Wunder. Er hat frei gemacht. Zum Beispiel frei davon, die Menschen in Kästchen je nach ihrem Besitz oder ihrer Stellung einzuteilen. Damals gab es viele Sklaven. Die waren in der christlichen Gemeinde genauso viel wert wie Kaufleute oder Landbesitzer. Die Sklaven waren zwar immer noch nicht unbedingt frei, aber sie konnten wissen: die Leute bilden sich was ein, wenn sie glauben, andere Menschen besitzen zu können. Man kann zwar Menschen durch Macht oder Gewalt zu etwas zwingen, aber für Gott sind die Sklaven mindestens so viel wert wie jeder reiche Mensch. Gott sieht nicht auf das, was ein Mensch äußerlich darstellt, sondern was in ihm steckt. Und auch manche reichen Menschen haben gespürt, dass der Glauben an Jesus sie wirklich frei machen will. „Ich muss nicht mehr mit meinem Nachbarn konkurrieren,

Samstag, 3. März 2012

Ich hab keine Lust mehr! - Reminiszere, 04.03.2012, Reihe IV

Text: Jesaja 5,1-7
Liebe Gemeinde!



Ich hab keine Lust mehr! In jedem Spätwinter werden mühsam Blumen vorgezogen. Die ersten Salatpflänzchen werden aufs Frühbeet vorbereitet und der Garten wird frühjahrsfit gemacht. Und noch ein bisschen mehr als unbedingt nötig. Gepflanzt wird, gegossen, Unkraut und Schädlinge werden bekämpft. Viel Liebe und Mühe wird reingesteckt. Und was kommt dabei raus? Nichts!!! Die blöden Blumen blühen nicht richtig, das Gemüse bleibt mickrig. Es lohnt sich nicht. Soll alles doch verwildern, mir egal. Ich hab keine Lust mehr! Wer ein bisschen Garten hatte oder Garten hat, kennt vielleicht genau diesen Frust. Er ist da, aber relativ harmlos, solange es um Pflanzen und Ernte geht.


Ich hab keine Lust mehr. Jeden Tag neu der Versuch, als Lehrer freundlich zu den Schülern zu sein. Geduld und Verständnis zu haben, wenn sie mal mies drauf sind. Ihnen zu helfen, wenn sie was nicht verstehen. Immer wieder und wieder. Telefonate mit Eltern, Besprechungen mit allen möglichen Leuten, Kontakte aufbauen, um Hilfen für die besonders Schwachen anbieten zu können. Und der Dank: Jeden Tag das gleiche Chaos in der Klasse, Respekt ist ein Fremdwort, Hausaufgaben werden nicht gemacht, Vorstellungsgespräche, die organisiert wurden, gar nicht besucht, jeder macht, was er will. Es reicht. Sollen die doch sehen, wo sie bleiben. Was interessiert mich ihr späterer Arbeitsplatz, was interessiert mich ihre Zukunft. Sollen die doch machen, was sie wollen, ich will meine Ruhe.


Ich hab keine Lust mehr. Immer wieder decke ich meine Freundin, wenn sie keine Hausaufgaben hat, Schule schwänzt, Liebeskummer hat. Ich helfe ihr immer wieder. Und der Dank? So bald Leute auftauchen, die scheinbar cooler als ich sind, lässt sie mich links liegen, kennt mich nicht mehr, bis sie wieder heulend ankommt. Soll sie doch sehen, wo sie bleibt! Soll sie doch verrecken. Ich hab keine Lust mehr.


Ich hab keine Lust mehr. Immer wieder habe ich es hin-genommen, dass mein Mann es mit der Treue nicht so genau nimmt. Ja, er liebt mich, er braucht mich, er ver-lässt mich nicht. Sagt er immer wieder. Aber er tut mir weh. Jedes Mal. Und erst recht, wenn er trinkt und sich nicht unter Kontrolle hat. Wenn er mich lächerlich macht und sich lächerlich benimmt. Tausendmal hat er Besse-rung versprochen. Und nichts hat‘s genützt. Ich habe kei-ne Lust mehr!


Wenn’s um MEHR als Pflanzen geht, wenn’s um Men-schen geht, um Liebe, um Zeit und Kraft, die in Bezie-hungen investiert wird, um Enttäuschungen, um Schuld, dann ist dieser Frust alles andere als harmlos.


Ich glaube, dass ganz viele diese Gefühle kennen. Zum Teil als diejenigen, die frustriert und enttäuscht wurden. „Ja, hör auf, du hast genug getan, überlass das alles mal sich selbst, wenn der oder die oder das es nicht anders kann und will, dann ist eben Ende der Fahnenstange! Sollen die doch sehen, wo sie bleiben und kaputtgehen.“ Ein Urteil, dem sich viele, ich oft genug auch, anschließen können. Und wie ist das auf der anderen Seite? Wenn man nicht enttäuscht wurde, sondern enttäuscht hat?