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Freitag, 24. Dezember 2010

Es war einmal? - Es wird einmal! 1. Weihnachtstag 2010, Reihe III

Text: Micha 5,1-4a
Liebe Gemeinde!


Es war einmal… - Es war einmal, in einer Zeit, in der glückliche Kinder in glücklichen Familien aufwuchsen, in einer Zeit, in der die Kinder brav waren und die Erwachsenen viel Zeit für die Kinder hatten. Es war einmal in einer Zeit, in der jeder zufrieden war mit dem, was er hatte, in einer Zeit, in der Neid und Habgier Fremdwörter waren. Es war einmal in einer Zeit, in der kein Mensch auf der Welt hungern musste und in der keine Kriege geführt wurden, in der jeder ein Dach über dem Kopf hatte. Es war einmal in einer Zeit, in der einfach nur ein großer Frieden in der Welt war. Es war einmal – so fangen Märchen an. Märchen erzählen oft von Sehnsüch-ten und Hoffnungen und verlegen das, was in der Gegenwart nicht möglich ist, in die gute, alte Zeit. Die aber in der Wirklichkeit selten so gut war wie in der nachträglichen Erinnerung. Es war einmal eine Welt, die gut und schön und richtig war – nein, das war nicht irgendwann einmal. Auch nicht zur Weihnachtszeit. Für die allermeisten Menschen ist Weihnachten ein Fest der Erinnerung. Gedanken gehen zurück. Und wenn die Vergangenheit, die Kindheit und Jugend, die Zeit als junge Familie als gut und beglückend empfunden wurde, dann hat man den Wunsch, das möge immer so bleiben und immer so sein. Und wenn die Erinnerungen traurig und belastend sind, dann möchte man sich wenigstens jetzt davon absetzen und alles anderes machen. Auch bei mir geht in der Weihnachtszeit der Blick öfter zurück als sonst im Jahr. Das mag auch daran liegen, dass der Keim des Weihnachtsfestes alle Jahre wieder eine Erinnerung an ein Ereignis ist, das wir uns alle bildhaft vorstellen können und das in der Lebenswelt so vieler Menschen eine Entsprechung hat: ein Kind wird geboren. Und in diesem Kind bündeln sich viele Hoffnungen und Erwartungen. Klar, die Geburt wird ausgeschmückt erzählt. Und der Herbergswirt, die Engel, Hirten, Weisen aus dem Morgenland und all das andere Personal tragen dazu bei, dass schöne Krippenspiele in Kirchen auf der ganzen Welt aufgeführt werden können, dass Krippen in Kirchen und zu Hause schön dekoriert werden können. Aber der Kern der Erinnerung ist der: ein Kind wird geboren und auf diesem Kind ruhen ganz viele Hoffnungen. Menschlich. Weihnachten ist vielleicht wirklich das menschlichste all unserer Feste. Erinnerung an den Anfang des Lebens, an dem alles noch möglich schien. Und dieses Kind in der Krippe, das lebt ja auch von der Erinnerung. Menschen erinnerten sich an Worte, die Männer Gottes, Propheten lange vor seiner Geburt sagten. Und plötzlich schienen für manche diese Worte in diesem Kind wahr zu werden. So auch die Worte, die der Prophet Micha über 700 Jahre vor der Geburt dieses Kindes sagte und die für den 1. Weihnachtstag in diesem Jahr Predigttext sind:

1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. 2 Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. 3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.

Es war einmal – eine Zeit, in der diese Worte wahr wurden? Im Bewusstsein, von Gott dazu beauftragt worden zu sein, hat Micha den Menschen in Israel diese Worte nach einem katastrophal verlorenen Krieg gesagt. Der Krieg wurde angezettelt, weil die Könige sich in ihren Phantasien, eine Großmacht zu werden, verkalkuliert hatten und, vor allem, weil es im Land nicht mehr gestimmt hat. Arme wurden ausgebeutet und unterdrückt, die Reichen wurden auf Kosten der Armen immer reicher und der Glauben an Gott verkam zu einem Ritual für Feiertage. Keine gute, alte Zeit. Diesen verzweifelten Menschen macht Micha neue Hoffnung. Einer wird kommen. Und die Menschen werden sicher wohnen. Und er wird der Friede sein. Und dann, gut 700 Jahre später, fingen Menschen an, in Jesus die Erfüllung dieser Hoffnung zu sehen. Und jetzt, noch einmal 2000 Jahre später? Können wir sagen: es war einmal, eine Zeit, in der alles unfriedlich war, aber jetzt, gut 2000 Jahre nach Christi Geburt, ist das alles vergessen, hat sich alles erledigt. Jetzt wohnen die Menschen sicher und in Frieden, denn er hat ja den Frieden gebracht, so wie es die Engel den Hirten sagten: Frieden auf Erden! Können wir das sagen: Es war einmal, die böse alte Zeit, jetzt haben wir die gute Zeit des Friedens und des sicheren Wohnens? Ich denke, gerade wenn ich die Worte Michas höre und lese, daran, was Soldaten in Afghanistan, denen das vielleicht auch heute in einem Weihnachtsgottesdienst im Lager in Kundus gepredigt wird, über diese Worte denken. Ich denke an unsere christlichen Brüder und Schwestern im Irak, in Palästina. Wie hören sie wohl diese Worte? Frieden und sicheres Wohnen, das scheint für sie unendlich weit weg zu sein. Und wir brauchen gar nicht so weit weg zu gehen. Sicher wohnen – wie werden dieses Versprechen die Wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen hören, die sich in der Tagesaufenthaltsstätte der Diakonie in der Gisselberger Str. treffen? Wie werden es die Menschen auf dem Richtsberg hören, die sich unsicher fühlen, wenn viele dunkel gekleidete Jugendliche mit Kapuzenpullis dastehen und sie an ihnen vorbei müssen? Frieden – wie werden das diejenigen hören, die mit ihren Eltern im Streit leben, die gerade dabei sind, sich vom Lebenspartner zu trennen, die in der Schule oder am Arbeitsplatz gemobbt werden und die sich deshalb schon davor fürchten, wenn die Feiertage wieder vorbei sind? Sicher wohnen, Frieden haben – davon sind wir manchmal im Kleinen, bei uns selbst, im eigenen Leben, in der eigenen Familie, ganz sicher aber im Weltmaßstab immer noch sehr, sehr weit entfernt.

Und trotzdem feiern wir Weihnachten, alle Jahre wieder. Nicht als Fest einer schönen, harmonischen Vergangenheit, sondern als Fest des Anbruchs der Zukunft. Weihnachten setzt keinen Schlusspunkt hinter die Verkündigung der Propheten Israels, Weihnachten setzt einen Doppelpunkt. Die Verheißungen, die bis dahin auf den Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat, bezogen sind, sollen endgültig im Weltmaßstab gelten.

Frieden hat Jesus gebracht: Frieden zwischen Gott und den Menschen. Gott verzichtet auf Rache, Gott lädt alle ein, auch die Menschen mit Not und Schuld. In Jesus, in dem Kind in der Krippe, im Mann der Verkündigung, der Heilungen, im geschundenen Menschen am Kreuz und in seiner Auferstehung zeigt uns Gott, dass er seinen Frieden mit der Welt gemacht hat. Mit unserer Welt, die nicht gerade so ist, wie sie nach seinem Willen sein sollte. Weil er uns die Freiheit gegeben hat, eigenen Wege zu gehen. eigene Wege, die oft genug auch von ihm, von seinem Frieden wegführen. ER wird der Friede sein. Ja, die Erfüllung dieser Verheißung von Micha dürfen wir in Jesus Christus glauben. Friede zwischen Gott und den Menschen. Was oft genug fehlt, ist der Friede zwischen uns Menschen und zwischen uns Menschen und Gott. Der Friede zwischen uns und Gott, den wir oft nicht verstehen. Trotz seiner Offenbarung in Jesus scheint uns Gott manchmal der ganz Ferne zu sein. Dann, wenn wir Leid begegnen, eigenem und fremden. Dann, wenn wir zweifeln, ob die Hoffnung, ob der Glaube, den wir haben wirklich ausreicht. Friede zwischen uns und Gott fehlt – und vor allem Friede zwischen uns Menschen. Weil wir immer wieder glauben, unseren Platz im Leben selbst behaupten zu müssen – gegen andere. Weil wir oft genug unser Leben als einen Kampf um die beste Position, um das höchste Ansehen, um Vorteile für das eigen Leben verstehen. Weil wir glauben, unseren Platz nicht sicher zu haben, sondern weil uns unser Platz im Leben bedroht scheint. Dabei will Gott uns sicher wohnen lassen. Gerade in Jesus hat er uns gezeigt, dass wir um unseren Platz nicht kämpfen müssen, dass wir da sein dürfen. Gott will uns und das Leben. In Jesus hat sich Gott von Anfang an ganz besonders den Menschen zugewandt, denen Lebensrecht und Lebensraum abgesprochen wurde. Kranken, Kindern, Frauen, Menschen am Rand der Gesellschaft. Vor allem auch denen, die durch eigene Schuld sich vom Frieden mit Gott und den Menschen entfernt haben. Gott gibt in Jesus Raum zum Frieden. Raum, in dem Menschen sicher wohnen können. Wie wir Menschen diesen Lebensraum gestalten, das liegt eben auch an uns. Ob wir diesen Raum annehmen, anderen Räume öffnen, Frieden leben – oder ob wir weiter kämpfen, streiten, verzweifeln. Es liegt an uns – auch wenn wir wissen, dass wir es nicht perfekt hinkriegen und dass wir nicht fertig werden mit dem Frieden und dem sicheren Wohnen. Das kann allein Gott herstellen. Es war einmal – nein, das ist nicht die Botschaft von Weih-nachten. Kein Rückblick auf eine gute alte Zeit. Es ist – das ist ein Teil der Botschaft. Es ist Zeit, sich zu freuen, Zeit, das Geschenk, den Frieden, den Lebensraum, den Gott uns durch Jesus schenkt, anzunehmen. Es ist – und: es wird. Gottes Welt ist im Werden. Nicht gegen uns, nicht an uns vorbei, sondern mit uns. Er ist der Friede – und in seinem Namen und auf ihn hin dürfen wir, mit aller Vorläufigkeit und mit allen Rückschlägen Schritte auf dem Weg des Friedens gehen. Und sicher wohnen. In diesem Leben. Amen

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Nach Hause kommen - Homecoming - Christmette 2010

Die Ansprache wurde inspiriert vom Predigttext der Reihe III, 2. Samuel 7,1-16, ohne dass dieser Text explizit auftaucht, von dem Bild "Der brennende Dornbusch" von Nicolas Froment, dass als Klappkarte verteilt wird und allen Strophen des Liedes "Stille Nacht"

Liebe Gemeinde!

Weihnachten heißt: Nach Hause kommen! Für ganz viele Menschen in einem nahezu wörtlichen Sinn. Zurückkom-men an den Ort der Kindheit, in das Haus, in dem man aufge¬wachsen ist. Wenn ein Gottesdienstbesuch dazuge-hört, dann möglichst in der Kirche, in der man schon als Kind war. Und wenn dieses örtliche nach Hause Kommen aus verschiedenen Gründen zu schwer oder nicht mehr möglich ist, dann heißt nach Hause kommen zu Weihnachten für andere, zu den Menschen zu kommen und mit den Menschen zu feiern, die ein Gefühl des Zuhauseseins schenken können. Weihnachten bringt weltweit Millionen Menschen in Bewegung. Und nicht die Weihnachtsflüchtlinge prägen das Bild auf den Bahnhöfen, Autobahnen und an den Flughäfen, sondern die Nachhausekommer. Dieses nach Hause kommen ist nicht immer einfach. Es treffen unterschiedliche Erwar-tungen aufeinander, nicht immer glücklich, es gibt Enttäuschungen. Aber es gibt auch viel Gelingen und Ge-borgenheit. In diesem Miteinander von Unterwegssein und nach Hause kommen, von enttäuschten Erwartungen, vom Festhalten an alten Erinnerungen und vom guten Gelingen von Begegnung und Zusammengehörigkeit bildet sich für mich der Sinn des Weihnachtsfestes, der Sinn dieser Nacht ab.

Gott kommt nach Hause. „Er kam in sein Eigentum“, so beschreibt es Johannes in seinem Evangelium. Er will nicht der Gott sein, der fern von den Menschen ist, sondern: wo die Menschen sind, da will Gott sein, da ist er zu Hause. Gott kommt nach Hause. Im Kind in der Krippe, da lässt er sich finden. Aber er ist ein Gott, der immer wieder im Kommen ist. Auf einer Reise wird Jesus geboren. Nicht in einem festen Zuhause, das ein für allemal sein Haus wäre und in dem er verehrt wird. Unterwegs, ohne festes Zuhause, so ist Jesus. Wo wäre denn auch sein Zuhause? In Bethlehem, im Stall, den er mit seinen Eltern bald wieder verlassen hat? In Nazareth, wo er den größten Teil seiner Jahre auf dieser Welt zugebracht hat? Unterwegs bei den Menschen auf seiner Reise durch Galiläa, Samaria, Judäa? In Jerusalem, wo sich in Kreuz und Auferstehung vollendet, was in seiner Menschwerdung begann? Gott kommt nach Hause – und er bleibt doch der Gott ohne festes Zuhause, der Gott unterwegs. Unterwegs mit Menschen, unterwegs zu den Menschen. Gott bindet sich nicht an Orte, an denen er sich finden lässt, er bindet sich an Menschen. Gerade in der Heiligen Nacht ist mir das wichtig. Der Mensch gewordene Gott ist heute Nacht in der Thomaskirche nicht näher und nicht ferner als in der Elisabethkirche oder im Petersdom oder in der Geburtskirche in Bethlehem. Er ist unter der Brücke, die Obdachlosen wenigstens den Rest von einem Dach über den Kopf gibt, genauso nah wie in der Wohnung der Rentnerin, die über den Verlust des Mannes und des Sohnes und die kaputtgegangene Beziehung zu den Enkeln trauert. Gott kommt nach Hause – zu den Menschen. Wir können ihn nicht an einem Ort festbinden. Nicht sozialromantisch dort, wo große Not ist, aber auch nicht in der vollen Kirche mit gut inszenierter Kirchenmusik. Gott will bei uns Menschen sein. Das ist die Botschaft dieser Nacht. Und wie jedes nach Hause kommen, so trägt auch dieses die Möglichkeiten zu Enttäuschungen und zum Gelingen in sich. Gottes nach Hause kommen enttäuscht – im wahrsten Sinn des Wortes. Es befreit die Menschen von der Täuschung, dass Gott nur für besonders fromme und besonders perfekte Menschen da wäre. Es befreit von der Täuschung, dass Gott in Reichtum und Prunk zu verehren und zu finden sei. Es enttäuscht die Erwartung vom machtvollen König, der kommt, genauso wie die Erwartung vom bedingungslosen Kämpfer. Das Kind in der Krippe enttäuscht die Erwartung, dass Gott mir mein Leben abnimmt. Nein, es sagt durch sein Dasein zu uns: „Nimm mich an. Ich lebe nicht an deiner Statt, sondern du darfst und kannst mit mir gemeinsam leben.“ Die Hoffnung, dass mit dem Messias Gottes Reich gleich perfekt hergestellt wird und Schöpfer und Schöpfung in vollendeter Harmonie leben könnten, wird enttäuscht. Gottes Reich ist im Werden, so wie das Kind heranwächst und Geschichte hat und macht. Aber diese Enttäuschungen eröffnen Möglichkeiten, dass das Nachhause Kommen Gottes Gelingen schenkt. Leben, das heil wird, weil erfahren werden kann: auch da, wo Schuld ist, werde ich geliebt und wird Vergebung möglich. Krankheit schließt nicht von Menschlichkeit aus. Gerade im Blick auf Menschen mit Behinderungen ist mir das ganz wichtig in einer Zeit, in der „behindert“ eines der beliebtesten Schimpfworte unter jungen Menschen zu sein scheint. Das nach Hause Kommen Gottes schenkt Gelingen – dann, wenn auch ich spüren kann, dass die Wege und Umwege, die mein Leben hat, die Sackgassen, die Abbrüche von Gott begleitet sind. Weihnachten dürfen wir ganz bei uns sein, weil Gott ganz zu uns kommt. Nicht wir müssen ihm Häuser bauen, sondern er baut uns ein Haus. Kein Haus aus Ziegeln oder Beton. Ein lebendiges Haus. In der Bibel und ihrer Sprache bezieht sich Haus auf die Menschen, die dazugehören. Je-sus, das ist denen, die uns sein Leben überliefert haben, wichtig, Jesus gehört zum Haus Davids, dem Gott ewigen Bestand versprochen hat. Das Haus Davids, das wurde gleichbedeutend mit dem Volk des ersten Bundes, Israel, benutzt. Jesus schließt uns die Tür zu diesem Bund der Gnade und des Friedens auf, er nimmt uns mit hinein in dieses Haus. Gott baut uns ein Haus in dieser Nacht von Bethlehem, er schenkt uns ein Zuhause. Deshalb dürfen wir gerade in dieser Nacht zur Ruhe kommen, bei uns sein. Ich möchte ihnen und euch heute Nacht eine Karte mit einem Bild schenken, das für mich dieses Hineingenommensein, dieses Zuhause sein bei Gott und unterwegs sein in der Welt, den tiefen Sinn dieser Nacht ganz ungewöhnlich ausdrückt. Zu sehen ist erst einmal ein Hirte mit einer Herde und einem Engel. Aber dieser Hirte ist keiner vom Feld bei Bethlehem, sondern Mose. Wenn man die Karte aufklappt, sieht man einen brennenden Dornbusch. Die Bibel erzählt, dass Gott sich dort Mose offenbart hat. Ich werde dasein, als der ich da-sein werde, ICH-BIN-DA. Mit diesen Worten gibt sich Gott Mose zu erkennen. So soll Mose von Gott reden. Und da sein wird er als Kind in der Krippe, als Sohn der Maria, als Jesus. Das ist, so malt es der Künstler, das Zentrum des brennenden Dornbuschs. Jesus ist Gott auf dem Weg mit uns Menschen und zu uns Menschen. So, wie Matthäus in seinem Evangelium die Worte Jesajas aufnimmt, die in der aufgeklappten Karte zu lesen sind: Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): 23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. „Gott sucht unsere Wohngemeinschaft. Er prüft uns nicht, ob wir wert sind, ihn aufzunehmen. Es hängt nicht von uns ab, ob er bei uns einzieht.“ (Zitat: Anne- Kathrin Kruse, Christnacht, in: GPM 65/1, 53) Gott kommt zu uns, damit wir zu uns finden können. Gott baut uns ein Haus, ein Zuhause, nicht aus Steinen, sondern aus Menschen, aus Liebe, aus Gnade. Damit wir Ruhe finden, Kraft, Wege zu gehen, neue Wege. Für mich selbst drückt sich ganz viel von dem, was diese Nacht ausmacht, in dem Lied aus, das wir gleich und dann nach dem Segen singen Werden. „Stille Nacht, heilige Nacht“, das wohl bekannteste Weihnachtslied der Welt. Ich habe es lang für süßlichen Kitsch gehalten. Bis ich gelernt habe, dass wir Menschen auch ganz einfache Worte und Melodien brau-chen, mit denen Gott Herzen erreicht. Worte und Melo-dien, die vertraut sind, die ein Zuhause auf Zeit geben, aus dem ich aufbrechen darf und Wege gehen darf. Von Weihnachten in den Alltag. Und vor allem bis ich die Strophen entdeckte, die zu dem Lied gehören, die aber nicht im Gesangbuch stehen.

Stille Nacht! Heilige Nacht! /Wo sich heut alle Macht /Väterlicher Liebe ergoß / Und als Bruder huldvoll um-schloß /Jesus die Völker der Welt! / Jesus die Völker der Welt!

Jesus als Bruder der Völker der Welt. Gott lässt sich nicht in ein Land einsperren, er ist nicht nur für mich, mein Volk da.

Stille Nacht! Heilige Nacht! / Die der Welt Heil gebracht, / Aus des Himmels goldenen Höh’n / Uns der Gnade Fülle läßt seh’n / Jesum in Menschengestalt! / Jesum in Men-schengestalt!

Die Fülle der Gnade, der Reichtum des Himmels wird im Menschen Jesus sichtbar. Gott kommt nach Hause, auf diese Welt, in diese Welt, damit wir Heimat finden. Heimat im Unterwegssein. Weihnachten bringt Menschen in Bewegung. Nachhause. Gebe Gott, dass wir Teil dieser Bewegung sein und bleiben dürfen. Gebe Gott, dass wir zu ihm und zu uns finden, dass wir unser Zuhause auf dem Weg finden. Gebe Gott, dass wir auch anderen helfen, die an der Bewegung zu verzweifeln drohen, die ein Zuhause suchen und doch keins finden, helfen, Nachhause zu kommen. Nachhause zu Gott, der in Jesus sein Zuhause bei uns hat. Amen.

Lass mich doch in Frieden - Krippenspiel und Kurzansprache, Hl. Abend 2010

Hier das Krippenspiel:
Erzähler: Der Kaiser Augustus wollte wissen, wie viele Menschen in seinem Reich leben. Deshalb schickte er seine Soldaten und Beamten in alle Städte seines Landes. Sie verkündeten:



„Jeder von euch soll in die Stadt gehen, in der er geboren wurde, jeder Mann und jede Frau. Dort müsst ihr euch in Listen eintragen lassen, damit alle Leute gezählt werden können.“


Die Leute hörten zu, was die Soldaten verkündeten, und machten sich auf die Reise, denn dem Kaiser musste man gehorchen. Sie packten ein paar Sachen zusammen und zogen los: die Reichen mit einem Pferd oder einem Wagen, manche hatten vielleicht einen Esel oder einen Ochsenkarren, aber die meisten gingen sicher einfach zu Fuß. Du kannst dir sicher vorstellen, was das für ein Gedrängel auf den Straßen war.


Wenn die Leute an ihrem Zielort angekommen waren, waren sie natürlich müde und hungrig. Sie mussten an den Volkszählungs¬büros furchtbar lang anstehen und sogar am nächsten Tag noch einmal wiederkommen. Die Reise war ja so lang gewesen, dass sie nicht am gleichen Tag wieder zurücklaufen konnten. Ganz viele wollten in einem Gasthaus zu Abend essen und übernach¬ten. Für die Wirte war das ein gutes Geschäft. So einen Andrang hatten sie schon lange nicht mehr. Aber es war halt auch furcht¬bar viel Arbeit. Und so hatten die Wirte schon Grund zum Stöh¬nen, wie auch der Wirt, von dem ich heute erzählen will.


Wirt: schaut vor die Tür


So ich glaub, das war’s. Heute kommt keiner mehr. Es ist ja auch schon dunkel. Da ist bestimmt niemand mehr unterwegs.


Außerdem ist mein Gasthaus voll bis aufs letzte Bett. Sogar mein eigenes Bett hab ich vermietet. Ich schlafe heute hier auf dem Gästebett neben der Tür.


War das ein Stress heute. Und jetzt bin ich furchtbar müde. Bin ich froh, dass ich jetzt endlich auch ins Bett gehen kann.


Erzähler: Nichts schätzte der Wirt so sehr, wie einen ruhigen, ungestörten Schlaf.


Schlafmusik instrumental: Seht die gute Zeit ist da


Josef u. Maria kommen von hinten durch die Mitte


Josef: Maria, schau, da vorn ist ein Gasthaus. Jetzt ist es nicht mehr weit.


Maria: Hoffentlich haben sie noch ein Zimmer für uns frei. Ich bin so müde. Klopfen an die Tür


Wirt: Wacht auf, stöhnt, kommt an die Tür und macht auf


Was wollt ihr denn noch so spät?


Josef: Wir suchen ein Zimmer für die Nacht.


Wirt: Gähnt Kein Zimmer frei!


Maria: Aber wir sind müde! Wir sind schon Tag und Nacht unterwegs!


Wirt: Es gibt nur noch den Stall hinterm Haus. Hier habt ihr zwei Decken. Füllt die Anmeldung aus.


Josef: Schreibt Vielen Dank und gute Nacht. Gehen hinter die Bühne


Wirt: Liest Maria und Josef aus Nazareth.


Erzähler: Der Wirt schloss die Tür, legte sich ins Bett und schlief weiter.


Schlafmusik instrumental: Seht die gute Zeit ist da


Josef: Kommt von hinten und klopft


Entschuldigung, dass ich noch einmal störe, aber könnten Sie uns noch eine dritte Decke leihen? Eine kleinere?


Wirt: Da. Eine kleinere Decke.


Josef: Dankeschön! geht zurück hinter die Bühne.


Erzähler: Der Wirt schloss die Tür, legte sich ins Bett und schlief weiter.


Schlafmusik instrumental: Seht die gute Zeit ist da


Sternengel mit Stern kommt von hinten und klopft an die Tür


Wirt: Macht auf und ist geblendet


Sternengel: Entschuldigung, ich suche einen Stall, der muss hier ganz in der Nähe sein, Josef und Maria ...


Wirt: Das hat mir grade noch gefehlt! Der Stall ist hinterm Haus.


Sternengel: Vielen Dank! Geht hinter die Bühne


Erzähler: Er schloss die Tür, legte sich ins Bett, zog sich die Decke über den Kopf, weil er bei der Helligkeit sonst nicht einschlafen konnte und schlief weiter.


Schlafmusik instrumental: Seht die gute Zeit ist da


Lied Gemeinde: Kommet, ihr Hirten (EG 48,1-3)


Hirte 1: Hast du auch den Engel gesehen?


Hirte 2: Nein, welchen Engel?


Hirte 3: Ein Engel war bei uns auf dem Feld. Alles war ganz hell. Auf einmal ist der da gestanden und hat gesagt: “Fürchtet euch nicht.“


Hirte 1: Ich hab mich aber trotzdem gefürchtet.


Hirte 3: Er hat gesagt: Heut ist Gottes Sohn geboren. Ihr findet ihn in Windeln gewickelt in einer Krippe in einem Stall.


Hirte 2: In welchem Stall? Hier sind so viele.


Hirte 3: Er hat gesagt, ein Stern steht drüber.


Hirten schauen sich um.


Hirte 1: Ich seh keinen.


Hirte 3: Ich auch nicht.


Hirte 2: Da vorn ist ein Gasthaus. Wir fragen einfach.


Hirten klopfen


Wirt: Was ist denn jetzt schon wieder?


Hirte 1: Wir sind drei Hirten.


Wirt: Na und? Was ist los? Die Schafe verloren?


Hirte 2: Wir suchen einen Stall.


Hirte 3: Da drüber müsste ein Stern stehen.


Wirt: Brüllt Hinterm Haus!


Hirten: Danke! gehen hinter die Bühne


Erzähler: Er schloss die Tür, legte sich ins Bett und schlief weiter.


Schlafmusik instrumental: Seht die gute Zeit ist da

Lied Gemeinde: Wisst ihr noch wie es geschehen EG 52, 1+4


bei der 2. Stophe (= Strophe 4) kommen die 3 Könige von hinten durch die Mitte


Kaspar: Ich kann den Stern nicht mehr sehen.


Melchior: Er sollte uns doch den Weg zu dem neugeborenen König weisen.


Balthasar: Es muss aber hier irgendwo sein. Ich habs genau ausgerechnet.


Kaspar: Und wo ist er dann bitteschön?


Melchior: Hier ist ein Gasthaus. Wir fragen nach dem Weg. klopft


Wirt macht auf und ist sauer


Melchior: Edler Mann, entschuldigt die Störung, aber wir suchen einen Stern. Haben Sie vielleicht...


Wirt: schreit Im Stall hinterm Haus!!!


Melchior : Entschuldigung. Gehen hinter die Bühne


Erzähler: Der Wirt knallte die Türe zu, legte sich ins Bett und schlief weiter.


Schlafmusik instrumental und Gesang Kinder: Seht die gute Zeit ist da

Lied Gemeinde: Vom Himmel hoch, da komm ich her EG 24, 1 3+5


Engel kommen während des Liedes von hinten durch die Mitte und verschwinden hinter dem Vorhang


Engel: Flöten vor der Türe


Wirt: Hält sich die Ohren zu


Engel: Gehen hinter die Bühne


Wirt geht vor die Tür und schimpft


Aus! Schluss! Jetzt reicht’s! Was ist heut Nacht bloß los? Da kann ja kein Mensch schlafen! Jetzt schau ich nach, was da los ist und beschwer mich!


Geht los


Erzähler: Er stampfte ums Haus stürmte zum Stall und wollte gerade losbrüllen, als ...


Vorhang auf


alle: „Psst!“,


einer: Du weckst das Baby!


Wirt: „Baby?“ ungläubig


einer: Ja, heute Nacht ist ein Baby geboren.


Wirt: Ach ja? brummig und beugt sich ärgerlich über die Krippe.


Erzähler: Und in diesem Moment schien sein ganzer Ärger unbegreiflicherweise einfach so davonzufliegen!


Wirt: Oh!, erstaunt Ist es nicht wunderschön?


Erzähler: Und er weckte alle Gäste in seinem Gasthaus auf, denn auch sie sollten in den Stall kommen und dieses ganz besondere Baby anschauen.


Wirt geht herum und holt die Kinder nach vorne


Lied Gemeinde: Seht die gute Zeit ist da, EG 18,1+2; im Kanon mit Instrumenten
 
Und hier die Ansprache:
Liebe Gemeinde!


Schlag die Tür nicht so laut zu! Der poltrige Wirt wird auf einmal ganz ruhig, als er das Baby in seinem Stall sieht. Eben war er noch genervt vom ganzen Trubel um ihn herum, da wollte er nur seine Ruhe haben. Und jetzt, da wird er ganz ruhig. Schlag die Tür nicht so laut zu! Klingt erst einmal ja ganz selbstverständlich, wenn es um neugeborene Kinder geht. Kennt jeder, der mit kleineren Geschwistern groß geworden ist oder in dessen Haus ein Baby war oder ist. Schlag die Tür nicht so laut zu – dieses eigentlich so selbstverständliche ist der erste Schritt zum Frieden. Das hat Franz von Sales, der vor ungefähr 400 Jahren in Frankreich gelebt hat, einmal jemandem gesagt, der wissen wollte, was er für den Frieden tun könne. Für mich ist das, wie wir gerade auch gesehen haben, ein Teil der Botschaft von Weihnachten. Schlag die Tür nicht so laut zu – Frieden fängt nicht erst da an, wo keine Waffen mehr benutzt werden, sondern da, wo ein Mensch auf den anderen Rücksicht nimmt. Frieden fängt da an, wo ich mich darauf einlassen kann, dass jemand meine Hilfe, meine Rücksicht, meine Umsicht braucht. Frieden fängt da an, wo ich den anderen nicht durch Lärm und Poltern und Geschrei beeindrucken will, sondern wo ich auf ihn zugehen kann, wo ruhig und klar geredet, geliebt und viel-leicht auch mal gestritten werden kann. „Frieden auf Erden“, das ist die Botschaft, die die Engel den Hirten mitgeben, bevor diese in den Stall gehen und im Kind in der Krippe, in einem ganz normalen Baby Gott entdecken. Frieden, das ist das, was dieses Kind, was Gott, der sich in diesem Kind zeigt, den Menschen geben möchte. Aber er tut das nicht dadurch, dass er sich groß aufspielt, mit viel Macht und Panzern und Waffen und Strafen droht, sondern indem er sich ganz klein und ganz hilfsbedürftig macht. Frieden fängt eben nicht ganz oben an, sondern ganz unten. Bei jedem von uns. Groß und Klein. Türen kann jeder leise zu machen. Das Kind nicht stören, das Poltern lassen, sich anstecken lassen davon, dass Gott als hilfsbedürftiger Helfer in diese Welt kommt. Es ist gar kein so neuer Blick auf die Welt, den Gott uns an Weihnachten schenken und öffnen will. Es ist die Erinnerung an die eigene Menschlichkeit. Gott wird Mit-Mensch, damit wir mitmenschlich sein und bleiben können, damit wir unsere Menschlichkeit neu entdecken. Gott bringt uns Frieden und stiftet uns zum Frieden an. Im Großen wie im Kleinen. Beginnen wir doch im Kleinen. Die Großen und die Kleinen. Indem wir Türen nicht zuschlagen, sondern öffnen, indem wir wahrnehmen, was der andere braucht und was wir brauchen, damit wir friedlich miteinander leben können. Indem wir nicht darauf warten, dass der andere anfängt, sondern indem wir anfangen, den Frieden, den Gott uns in dem Kind in der Krippe schenkt, einfach zu leben.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Wegbereiter - 3. Advent, 12.12.10, Reihe III

Text: Lukas 3,1-14
Die Predigt wurde von Juliane Schneider, Mitarbeiterin im Konfirmandenunterricht, mit vorbereitet und mit gehalten

Liebe Gemeinde!


Juliane: Nach dieser langen Aufzählung, in welche Zeit dieses Geschehen einzuordnen ist, kommt das Wichtigste: Das Wort geschah zu Johannes. Gott hat zu Johannes gesprochen und ihm einen Auftrag gegeben. Dieser Satz ist entscheidend. Johannes hat nicht aus sich heraus die Idee, durch die Gegend zu ziehen und zur Buße aufzurufen. Er ist auch kein Spinner, der sich irgendetwas Verrücktes ausgedacht hat. Nein, Gott hat Johannes einen Auftrag gegeben. Sein Auftrag war es, ein Wegbereiter von Jesus zu sein und zur Buße, das heißt zum Bekennen der Sünden aufzurufen. Johannes ist bereit, sein bisheriges Leben für diesen Auftrag zu ändern. Bisher hat er abgeschieden in der Wüste gelebt, war vielleicht bei einigen Leuten als Eigenbrötler bekannt, aber hatte wahrscheinlich nicht viel mit Menschen zu tun. Dann spricht Gott zu ihm und gibt ihm eine Aufgabe. Auf einmal hat er einen Sinn. Und er ändert seine Lebensweise vom abgeschiedenen Eigenbrötler zu einem, der den Menschen etwas zu sagen hat. So heftig ist das, wenn Gott in ein Leben spricht!!

Johannes hat diesen Auftrag bekommen, bevor die Menschen Jesus kannten. Johannes war der Wegbereiter für Jesus. Er sollte die Menschen darauf vorbereiten, dass Jesus bald kommen würde und ihren Glauben und ihre Leben auf den Kopf stellen würde.

Heute ist der 3. Advent. Wir befinden uns genau in einer solchen Vorbereitungszeit für Jesus. An Weihnachten erinnern wir uns daran, dass Jesus als Gottes Sohn den Himmel verlassen hat und als schwaches Baby auf die Erde gekommen ist. Wir befinden uns aber auch noch in einer anderen Zeit. Jesus hat versprochen, dass er wieder auf die Erde kommen wird. Dann jedoch nicht als schwaches Baby, sondern als mächtiger Herrscher, als König.

Wir befinden uns also in einer Zeit, die darauf wartet, dass Jesus wieder kommt. Wir sind gerade in einer sehr ähnlichen Situation wie Johannes damals. Damals warteten die Menschen auf den Erlöser, heute warten wir als Christen auch auf den Erlöser. Also darauf, dass er ein zweites Mal kommt und uns mit in sein herrliches Reich nimmt.

Der Auftrag, den Gott Johannes damals gegeben hat, war: Sei ein Wegbereiter von Jesus. Sage allen, dass sie sich für Jesus baldige Ankunft bereit machen sollen! Dieser Auftrag gilt auch für uns. So wie Johannes sein bisheriges Leben hinter sich gelassen hat und bereit dazu war, den Sinn seines Lebens völlig neu festzulegen und auf Gott auszurichten, so sollen auch wir, wenn wir Nachfolger von Jesus werden, bereit sein, dem Auftrag Gottes zu folgen und unser altes Leben komplett hinter uns lassen. Wir sollen von nun an für Gott leben.

Wie geht das? Wie können wir Wegbereiter für Jesus sein und im Auftrag des Herrn unterwegs sein?? Unser Auftrag in dieser Zeit ist es, so zu leben und vorzuleben, als ob Gottes Himmelreich schon hier auf der Erde wäre. In der Bibel gibt es viele Vergleiche, wie es dort aussehen wird, wohin Jesus uns Christen mitnimmt, wenn er das zweite Mal kommt. Kranke sind dort nicht mehr krank, es gibt keine Enttäuschungen, keine Einsamkeit, niemand wird angelogen oder betrogen. Es gibt keine Außenseiter oder Mobber. Es gibt dort keine Armen und Reichen. Und vor allem werden wir alle in ganz enger Gemeinschaft mit Gott leben. Genial, oder?

Wenn wir jetzt also den Auftrag von Gott haben, so zu leben, als wäre dieses Himmelreich schon jetzt da, dann haben wir den Auftrag, für Kranke zu beten, damit sie wieder gesund werden, niemanden zu enttäuschen, zu belügen oder zu betrügen, sich mit Außenseitern und Einsamen anzufreunden, niemanden zu mobben, als Reicher den Armen etwas abzugeben und schon jetzt in ganz enger Gemeinschaft mit Gott zu leben. Der Auftrag kann jedoch auch heißen, anderen Menschen von Jesus zu erzählen, damit auch sie später in diesem herrlichen Reich wohnen können. Es kann heißen, einen Hauskreis zu gründen, wo es um Jesus geht oder auch als Missionar nach Afrika oder China zu reisen, um den Menschen dort von Jesus zu erzählen. Gott hat also große Dinge mit uns vor. Die Frage ist nur, ob wir bereit dazu sind.

Uli: Ja, Gott hat Großes mit uns vor. Und die Frage ist auch für mich: sind wir wirklich bereit dazu? Mindestens zwei Dinge sind dabei wichtig. Zum einen ist es wichtig, den Blick für den ersten und den zweiten Schritt zu behalten, und nicht vor lauter Großem, was einen ja vielleicht auch überfordern kann, das Kleine, das groß wird, aus dem Blick zu verlieren. Jesus selbst vergleicht den Glauben mit einem ganz kleinen Senfkorn, aus dem eine große Pflanze wächst. Gott selbst zeigt sich als einfacher, hilfsbedürftiger Mensch, in einem Baby, aus dem ein großer Neuanfang seiner Liebe zu uns entsteht. Nicht jeder ist geeignet, als Missionar in die Fremde zu gehen. Und Mission, das hört sich für viele verstaubt und vorgestrig an. Mission, hinweisen auf die Kraft der Liebe Gottes, das heißt zu-erst mal das, was Johannes hier deutlich macht: „Lebt so, dass niemand unter euch leidet“. Das ist es, was er den Soldaten und den Zöllnern als Ratschlag gibt. Was sich so einfach anhört, ist im Alltag schwer genug. Menschen tun einander weh. Körperlich, materiell, seelisch. Im Kleinen und im Weltmaßstab. Der Wohlstand in Europa, in der entwickelten Welt hängt immer noch daran, dass viel zu viele Menschen keinen gerechten Lohn für ihre Arbeit bekommen. Man könnte noch mehr Beispiele finden. Der erste Schritt, missionarisch, auf die Liebe Gottes hinweisend zu leben, ist es, den anderen, der mir anvertraut ist, der mir begegnet, in den Blick zu nehmen. Für mich hier auf dem Richtsberg wird das in vielen Beispielen ganz praktisch. Da gibt es Menschen, die sorgen dafür, dass sich in den Häusern, in denen sie wohnen, was tut, dass es da nicht wie der letzte Dreck aussieht. Da gibt es Menschen, die haben schon vor langer Zeit angefangen, sich um Kinder zu kümmern, die in ihren Familien manchmal nicht richtig wahrgenommen werden. Es sind die kleinen Schritte, die kleinen Anfänge, aus denen Großes wächst. „Lebt so, dass niemand unter euch leidet.“ – Ein Anfang.

Neben diesem Blick für den kleinen Anfang gehört als Zweites für mich Bereitschaft dazu, sich selbst, den Glauben, die eigenen Selbstverständlichkeiten hinterfragen zu lassen. Johannes sagt den Leuten, die zu ihm kommen: Nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Vielleicht auf den ersten Blick merkwürdig. Aber eigentlich kann man das ganz leicht übersetzen: Lebt eure Berufung! Verlasst euch nicht auf das, was ihr schon seid, sondern lebt es auch! Gott hat ja seinen Bund der Liebe mit dem Volk Israel, mit den Juden, geschlossen. Mit Abrahams Kindern. Gott hat, sichtbar in der Taufe, auch einen Bund mit uns geschlossen. Er verspricht, da zu sein. Er verspricht Liebe und Vergebung. Die Antwort, die anscheinend viele Menschen zur Zeit von Johannes gegeben haben, war: „Toll, Gott, dass du für uns da bist. Wir machen dann mal, was wir wollen, du musst uns ja liebhaben, wir sind doch Abrahams Kinder.“ Und viel-leicht ist das auch eine Antwort, die ich als Getaufter zu oft gebe: „Danke Gott, dass du für mich da bist. Aber ich bin dann mal weg und mach, was ich will!“ Lebe deine Taufe. Lebe die Liebe, mit der du geliebt wirst. Lass dich fragen, ob das, was du tust und lässt, dieser Liebe entspricht. Sei kritisch mit dir selbst. Und bleib nicht bei dir stehen. Nimm die Welt in deinen Glauben mit hinein. Gerade die erste Antwort, die Johannes der Menge gibt, als sie fragt, was sie tun sollen, zeigt das: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. Es geht nicht nur um das persönliche Seelenheil, es geht um Gerechtigkeit in der Welt. Glauben schaut nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Für mich ist das die Botschaft, die Johannes uns auch heute noch mitgibt.

Und da merke ich, dass es gut ist, dass Johannes nicht Gottes letztes Wort ist. Johannes bereitet das vor, was durch Jesus zu Ende gebracht wird. Johannes macht auf das aufmerksam, was nicht in Ordnung ist. Er hält den Menschen schonungslos den Spiegel vor. Jesus hilft uns, diesen schonungslosen Blick auf uns, auf unser Versagen auch auszuhalten. Johannes zeigt uns unsere Wunden, unsere Verletzungen und die, die wir anderen zufügen. Und Jesus verbindet und heilt sie. Die Botschaft, die er uns von Gott zeigt, ist die: Ich liebe dich trotz deiner Schuld, trotz allem, was nicht in Ordnung ist. Du darfst neu anfangen. Mach was draus. Wir brauchen beides: Den, der die Wunden aufzeigt und den, der sie verbindet und heilt. Sind wir also bereit, für das Große, das Gott vorhat und das so klein beginnt? Ich wünsche uns, dass wir in diesem Advent Großes erleben. Dass wir erleben, wie aus Not Segen werden kann, wie Kleines groß wird, wie ein ehrlicher Blick auf Schwächen und Schuld neue Liebe wachsen lässt. Gott hat Großes mit uns vor. Durch Liebe, in Liebe. Gott sei Dank.

Amen.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Katastrophale Hoffnung - 2. Advent, 5.12.2010, Reihe III

Text: Matthäus 24,1-14

Liebe Gemeinde!


Morgen kommt der Nikolaus und in knapp drei Wochen das Christkind. Da gibt’s Geschenke für alle, die lieb waren – und wer war das nicht? Kleine und große Geschenke, die Freude machen sollen. Und hoffentlich tun sie das auch. Vorfreude, sie gehört zum Advent. Und Ruhe, Besinnlichkeit, Kerzen, Tee, Plätzchen, Glühwein, Freunde, Familie. Ja, es soll so sein, wie es das Christkind aus dem offenen Himmelstor Knecht Ruprecht in Theodor Storms Gedicht entgegenruft: „Alt‘ und Junge sollen nun / von der Jagd des Lebens einmal ruh’n“.

Und dann, mitten in diese schönen Erwartungen hinein, kommt so eine katastrophale Rede von Jesus, die so gar nicht zur Adventsstimmung passt und erstmal überhaupt nicht auf Weihnachten einstimmt. Sie ist ziemlich ungemütlich. Kriege, Naturkatastrophen, Hungersnöte, Hass und Abfall vom Glauben, falsche Propheten, kein Stein bleibt mehr auf dem anderen, die Welt wird zu Grunde gehen. – Alle schlechten Nachrichten des zu Ende gehenden Jahres scheinen in dieser Rede von Jesus vorzukommen. Angefangen vom Erdbeben in Haiti über den nicht enden wollenden Krieg in Afghanistan, die Terrorgefahr und die Erfahrung, dass Christen durchaus noch verfolgt werden - offen im Irak oder Nordkorea, versteckt durchaus auch da, wo Menschen lächerlich gemacht werden, die sich aus ihrer christlichen Überzeugung heraus für mehr Gerechtigkeit in Schule, Wirtschaft, in der Gesellschaft einsetzen – bis hin zu den Auswüchsen, dass Menschen sich als Christen bezeich-nen, aber dann Menschen, die anders oder gar nicht glau-ben, Rechte absprechen und sich nicht für Gerechtigkeit und Liebe, sondern für Intoleranz und Abgrenzung ein-setzen. Muss das sein, im Advent, in der Kirche? Kann man da nicht die gute Nachricht weitersagen? Erholung vom Alltag, der anstrengend genug ist – dafür ist die Kir-che doch da, oder etwa nicht? Gute Nachrichten – so wie es das Wort Evangelium, das ja nichts anderes heißt, ver-spricht!

Ja, gute Nachrichten! Ja, dafür ist Jesus da. Und alle, die behaupten, von Jesus zu reden, müssen sich, gerade in dieser Zeit, auch daran messen lassen, ob sie die gute Nachricht wirklich weiter sagen. Und die gute Nachricht ist die: Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen. Wir Menschen, ob Christen oder nicht, neigen dazu, den Augenblick für das Ganze zu nehmen. Wir neigen dazu, in unseren Grenzen und Schubladen zu denken und zu bleiben. Da bleibt we-nig Raum für Hoffnung. Da bleibt wenig Raum für Weite. Jesus will Mut zur Hoffnung machen. Er will nicht, dass Menschen sich von den Schwierigkeiten, die es im Alltag gibt, gefangen nehmen lassen und das für die ganze Wirk-lichkeit nehmen. Wenn wir von der Gegenwart her den-ken, dann gibt es tatsächlich wenig Grund zur Hoffnung. Grund zur Hoffnung gibt es nur, wenn wir mit Jesus von der Zukunft her denken. Ganz deutlich macht das der Wochenspruch für den 2. Advent, den wir nachher noch mal hören: Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht (Lk 21,28). Wer den Kopf gesenkt hält, der wird nur einen schmalen Bereich um sich herum wahrnehmen. Auswege, Hoffnungen, all das wird dort schwer zu finden sein. Seht auf, macht den Blick weit. Erhebt den Kopf – lasst ihn nicht hängen. Erlösung ist nahe. Hoffnung ist nahe. Hoffnung ist nahe – und sie kann gesehen werden, wenn die Augen vor dem nicht zugemacht werden, was Hoffnung schwer macht. Erlösung ist nahe – und sie kann erhofft werden, wenn wir, auch wir Christen, uns frei machen von dem Gedanken, dass wir uns selbst erlösen müssten. Diese so ungemütliche, scheinbar so unadventliche Rede Jesu ist eigentlich ein richtig adventlicher Aufruf, auf das Kommen Gottes zu warten. Nicht dadurch, dass wir, ich oder du oder sie als Christ in ein stilles, gemütliches Kämmerlein gehen und dort still und heimlich die ungemütliche Wirklichkeit überleben, sondern in dem wir uns auch der ungemütlichen Wirklichkeit bewusst werden und beharrlich bei dem bleiben, was dem Leben dient.

Bevor Jesus seinen Jüngern von dem erzählt, was der totalen Umgestaltung der Welt vorausgeht, geschieht etwas, was ganz leicht überhört wird. Jesus zieht aus dem Tempel aus und er blickt zurück und sagt: Da wird kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Man kann es sich leicht machen und sagen, dass Matthäus das in Anlehnung an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahr 70 aufgeschrieben hat. Aber es geht, denke ich, um etwas Grundsätzliches. Die feste Grenze, die Mauer, zwischen dem Bereich, in dem Gott ist, und der Welt wird brüchig. Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen. Das Allerheiligste ist nicht mehr ummauert, sondern geht in die Welt. Ein Segen – aber nicht nur. Unsicherheit macht sich breit. Was ist denn nun Gottes Welt? Was ist denn christlich? Wann wird denn offenbar, wie die Welt nach Gottes Willen sein soll? Die Jünger wollen gern Berechnungsgrundlagen. Sie wollen sichere Zeichen, an denen sie erkennen, dass Jesus wiederkommt. Aber Jesus entlässt sie in die Unsicherheit. Die konkreten Beispiele, die er nennt: Kriege, Hungersnöte, falsche Propheten, kalt werdende Liebe, sind so konkret, dass sie in jedem Jahr, zu allen Zeiten zu finden sind. Jederzeit, tagtäglich ist Zeit, in der Glauben schwer fällt. Und immer wieder ist dieser Blick vom Ende her, von der Hoffnung her nötig, um an der Gegenwart nicht zu verzweifeln. Das Aufsehen auf die Erlösung. Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen, das Allerheiligste zieht in die Welt – und macht sich dadurch verwechselbar. Uneindeutig. Wie kann das sein, fragen vielleicht manche jetzt. Christen sollen doch unverwechselbar sein, eindeutig in dieser Welt. Gott soll doch eindeutig zu erkennen sein! Jesus warnt vor falschen Propheten, vor Christussen und Christussis, die so etwas versprechen. Er warnt davor, eine erlöste Welt vorzugaukeln, wo so vieles noch auf Erlösung wartet. In dieser Welt, die noch nicht vollendet ist, die darauf wartet, dass die in Christus erschienene Liebe sich endgültig durchsetzt, ist es immer wieder verführerisch, einen einfachen Weg, der einfache Lösungen verspricht, zu predigen. Jesus spricht selbst davon, dass diejenigen, die in seinem Sinn leben, das oft gar nicht richtig erkennen. Wann haben wir dich hungrig, im Gefängnis, nackt, bedürftig gesehen? So fragen die Menschen. Wenn Christus einfach und eindeutig zu erkennen wäre, dann wäre diese Frage nicht nötig. In dieser Welt ist Gott, ist Christus verborgen. Wer einfache Wege verspricht, der führt von Christus weg. Aber auch die Ungerechtigkeit, die Menschen ja immer wieder erfahren, kann von Christus wegführen. Weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten, so heißt es im Predigttext. Alltag, glaube ich. Ich kenne es gut, auch von mir selbst. Die erste Begeisterung, voller Liebe, und dann die Erfahrung, dass eben nicht alles so läuft, wie es richtig wäre. Reiche werden immer reicher und Arme immer ärmer. Unschuldige leiden und Schuldige werden nicht bestraft. Krankheiten fressen Menschen auf, die es in meinen Augen nicht verdient haben. Wozu noch lieben, glauben, hoffen? Ungerechtigkeit lässt Liebe kalt werden. Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen. Ja, eigentlich bleibt uns nichts anderes. Beharrlich sein. Beharrlich Gott auf seine Verheißungen, seine Liebe, seine Erlösung ansprechen. Beharrlich der Versuchung widerstehen, vorschnelle Antworten zu geben. Beharrlich nicht vom eignen Tun und Lassen die Vollendung zu erwarten. Martin Luther hat Gott mit einem glühenden Backofen voll Liebe verglichen. Gebe Gott, dass wir uns nicht verheizen und ausbrennen, indem wir nur auf unsere Liebe und unsere Möglichkeiten vertrauen, sondern dass wir diesem Back-ofen zutrauen, unseren immer wieder anzufeuern. Nicht ausbrennen – vielleicht ist das nötig, damit die Hoffnung, auf die hin und von der her wir leben, da bleiben kann. vielleicht braucht es dazu auch manchen adventlichen Rückzug in Wohlfühloasen, in Ruheräume für Leib und Seele. Nicht, damit die Wirklichkeit geleugnet wird und wir so tun, als wäre alles schon fertig, sondern damit die Hoffnung nicht stirbt und wir in dieser unerlösten Welt leben können. Damit wir getrost aufstehen, die Häupter erheben und die nahende Erlösung sehen können. Nicht im Nikolaus und auch nicht im Christkind, das Geschen-ke unter den Weihnachtsbaum legt, sondern in Christus, dem Kind, dem Mann, dem Sohn Gottes, der uns die Freiheit schenkt, Kind Gottes sein zu dürfen. Die Freiheit, leben zu dürfen. Voller Liebe, in einer Welt, die nicht immer liebevoll ist. Nicht nur im Advent.

Amen.