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Mittwoch, 28. Mai 2008

LIEBE-spiel - Konfirmation 2008


Text: 1. Johannesbrief 3,1+2

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! ; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten, Großeltern, Verwandte und Freunde, liebe Gemeinde!

Pech im Spiel - Glück in der Liebe! Oder, zum Trost für alle unglücklich Verliebten: Pech in der Liebe, Glück im Spiel! Stimmt das eigentlich? Hat Liebe etwas mit Spielen zu tun? Manchmal kommt es mir so vor. Aber nicht so, wie es diese Sprichwörter einem vormachen. Eher umgekehrt. Ich weiß nicht, wer von euch schon mal gepokert hat. Beim Pokern und auch bei anderen Kartenspielen kommt’s drauf an, die Nerven zu behalten. Auch wenn man schlechte Karten hat nicht gleich alles hinzuwerfen, sondern den anderen dazu zu bringen, dass er glaubt, man hätte gute Karten. Man blufft und taktiert. Und am Ende gewinnt nicht unbedingt der mit den besten Karten sondern der, dessen Bluffs man am wenigsten durchschaut. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das nicht nur im Kartenspiel so ist. Da kriegt nicht immer der netteste Kerl die schönste Frau ab oder umgekehrt. Nur dass es dann noch viel mehr weh tun kann, wenn man zu spät merkt, dass der oder die andere ganz schön geblufft hat und man nicht den Typen mit den besten Karten, sondern eine Null, die gut blenden kann, erwischt hat. Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Die meisten von euch spielen ja gern Playstation und da Spiele mit viel Action. Spiele, in denen man mit Autos durch die Gegend jagt, die man sich im wirklichen Leben nicht leisten kann oder sich in Rollen versetzt, die auch nicht das sind, was man wirklich ist. Es macht Spaß, im Spiel mal ein ganz anderer zu sein. Es macht Spaß, spielerisch besser als andere zu sein. Aber wenn es im richtigen Leben, und gerade dann, wenn’s um Liebe geht, darum geht, anderen was vorzumachen und andere zu besiegen, dann wird’s traurig. Weil ich am Ende nicht mehr weiß, auf was und wen ich mich eigentlich verlassen kann. Liebe ist dann schön und gut, wenn sie zwar spielerisch leicht ist, aber kein Spiel bleibt. Wenn ich wissen kann, dass da nicht geblufft und taktiert wird, wenn es nicht ums Gewinnen geht, sondern wenn ich weiß: Ich bin gemeint. Deshalb habe ich für die Konfirmation heute einen Predigttext ausgesucht, der für mich genau das ausdrückt: Ich bin gemeint. Mir ist es Ernst mit meiner Liebe zu dir. Der erste Teil des Predigttextes steht außen auf dem Gottesdienstblatt. „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ So heißt der erste Vers im 3. Kapitel des 1. Johannesbriefs. Gottes Liebe macht uns zu seinen Kindern, seine Liebe macht uns liebenswert. „Wir sind es auch!“ Mir ist gerade diese Bestätigung wichtig. Vor allem heute, bei der Konfirmation. Wir sind geliebte und liebenswerte Kinder Gottes. Wir - und zu diesem „Wir“ gehört ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden, gehören Mütter, Eltern, Menschen, die begleiten mit dazu. Es hilft mir als Pfarrer schon manchmal, wenn ich mir sage: „Ihr seid es! Ihr gehört zu Gott, Gottes Liebe gehört euch - auch wenn ihr nicht immer so gewesen seid, wie ich euch gern gehabt hätte. Auch wenn die eine manchmal schon am Anfang der Stunde gefragt hat, wann denn nun endlich alles vorbei ist, die andere ihren Frust über die Schule lautstark abgelassen hat und der dritte sich gern mal mehr oder weniger freundschaftlich mit seinem Nachbarn geprügelt hat. Ihr seid es. Gott meint es ernst mit seiner Liebe zu euch - und ihr habt das Recht auf eine Beziehung zu Gott, die anders ist als das, was ich will.“ Gott meint es ernst mit seiner Liebe zu uns. Ich glaube, das kann auch zwischen Eltern und Kindern gut sein, wenn man sich das gegenseitig immer wieder klar macht. „Du bist es. Du bist geliebt, gewollt, ich kann hoffen, dass Gott dir einen guten Weg zeigt, auch wenn ich dich im Moment überhaupt nicht verstehe und das Gefühl habe, dich gar nicht mehr zu kennen. Gott meint es Ernst mit seiner Liebe zu dir und ich meine es Ernst mit meiner Liebe zu dir, auch wenn du das im Moment nicht so siehst.“ Wer könnte das zu wem sagen? Eine Konfirmandenmutter zu ihrer Tochter? Ein Konfirmand zu seiner Mutter? Ich glaube, beides könnte hoffentlich gehen. Gerade wenn man auf dem Weg ist, erwachsen zu werden, gibt’s die Augenblicke, die manchmal ziemlich lang dauern, in denen man sich ganz fremd vorkommt. In denen Eltern ganz viel Angst davor haben, dass ihr Kind völlig falsche Entscheidungen trifft und in denen Jugendliche das Gefühl haben, dass Erwachsene sie überhaupt nicht verstehen und nur gängeln wollen. Da kann es gut tun, zu wissen, dass es da einen gibt, der für mich da ist, dessen Kind ich bin und der auch für den anderen - das Kind, den Vater, die Mutter - da ist, von dem ich das Gefühl habe, dass meine Liebe ihn oder sie im Moment nicht erreicht. Seht, welch eine Liebe hat uns Gott, der Vater, erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Seine Liebe ist kein Spiel. Damit ihr eure Lust am Taktieren und Bluffen, am Gewinnen und Ausprobieren nicht in der Liebe, sondern im Spiel austoben könnt, bekommt ihr nachher dieses Spiel auch geschenkt. Damit Liebe spielerisch bleibt ohne zum Spiel zu werden.

Aber der Predigttext geht noch ein bisschen weiter. Im zweiten Vers heißt es: Es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Da ist es wieder, das Gefühl, sich selbst, das Leben und vor allem auch Gott manchmal gar nicht so richtig zu kennen. Das ist normal und gar nicht so schlimm Obwohl es Zeiten im Leben gibt, in denen der Durchblick fehlt, wirst du das wahre, gute und richtige Leben, Gott selbst und dich erkennen. Du wirst erkennen und leben, was Liebe wirklich ist, denn, und das steht an einer anderen Stelle in diesem Brief und das ist in diesem Jahr der Konfirmationsspruch von Jana, Jaqueline, Arthur und Georg: „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Wir gehen im Leben nicht immer den geraden und richtigen Weg, sondern manchmal wie in einem Irrgarten oder Labyrinth ziemlich viele Umwege. Manchmal sind wir ganz schön weit weg vom Entscheidenden, von der Liebe. Aber gerade dann können wir uns darauf verlassen, dass Gott es ernst mit uns meint und uns helfen wird, zum Ziel zu kommen. Als Zeichen dafür bekommt ihr noch ein weiteres Geschenk. Ein Kreuz mit einem Labyrinth drauf. Ich weiß, dass die meisten von euch lieber klassische Kreuze mögen. Aber ich finde dieses Zeichen eigentlich besonders schön. Das Kreuz als Zeichen dafür, dass die Liebe Gottes stärker ist sogar als der Tod. Als Zeichen dafür, dass Gott nicht wegläuft, dass seine Liebe und Zusage hält, auch wenn alle Menschen mit einem nichts mehr zu tun haben wollen und selbst die, von denen man dachte, dass sie gute Freunde sind, weg sind. Das Kreuz als Zeichen für eine Liebe, die keine Spielerei ist, sondern die Ernst macht mit den Worten: „Ich liebe dich“ „ja ljubljú tebjá“ „je t’aime“ „I love you“. Und das Labyrinth als Zeichen dafür, dass wir die Hoffnung haben dürfen, zum Ziel zu kommen, auch wenn wir nicht immer den direkten Weg gehen. Das Gott zu uns hilft und uns zeigt, was das Leben gut macht: Lieben, Frieden halten und suchen, Vergebung annehmen und Vergebung schenken. Vertrauen geben und vertrauen können. Hoffnung haben. Glauben. Ich wünsche nicht nur den Konfirmandinnen und Konfirmanden und denen, die zu ihnen gehören, sondern uns allen, dass der Ernst des Lebens nichts Drückendes und Trauriges wird, sondern dass die Liebe der Ernstfall ist. Dass wir nicht mit Menschen spielen, aber die Lust am Spielerischen behalten, dass wir, mit Gottes Hilfe und durch seine Liebe, das Leben immer wieder auch mal leicht nehmen können.

Amen

Ballast auspacken! - Pfingsten 2008

Text: 1. Korinther 12,4-11

Liebe Gemeinde!

(Zu den Fragen die Betreffenden jeweils bitten, aufzustehen) Wer kann Russisch sprechen? Wer kann Englisch sprechen? Wer kann Französisch sprechen? Wer eine andere Sprache außer Deutsch? Wer spielt ein Musikinstrument? Wer ist einigermaßen sportlich? Wer kann kochen? Wer backt gern? Wer ist ganz gut im Gärtnern? Handwerklich geschickt?

Ich könnte jetzt noch lange weiterfragen, wahrscheinlich würden immer wieder welche aufstehen, wenn sie sich trauen. Wenn wir so als Gemeinde zusammenkommen, auch nur die paar Leute aus unserer Gemeinde, die gern und regelmäßig Gottesdienst feiern, dann sind schon viele Fähigkeiten, Gaben und Talente da. Als ich vor ein paar Monaten hier auf den Richtsberg gezogen bin und mich mit meinen Konfis unterhalten habe, da haben mir manche erzählt: „Wenn man auf einer weiterführenden Schule erzählt, dass man vom Richtsberg kommt, dann wird man oft schon ein bisschen komisch angeguckt und da denken dann manche: die können nicht viel!“ Und jetzt hier, in der Gemeinde, da tauchen dann viele verschiedene Dinge auf, die Menschen, alte und junge, wirklich gut können. Tolle Sache!

Manchmal wollen wir gar nicht wahrhaben, wie viel wir eigentlich können. Weil entweder wir selbst uns eine Art Rucksack packen oder wir für andere einen Rucksack packen. Da wird dann alles reingepackt, was es gibt, damit man möglichst perfekt ist. Als Mensch im Allgemeinen und als Christ in der Gemeinde. Der Rucksack ist übervoll und oft kaum zu tragen. Was da alles so drin ist! Man soll in der Bibel Bescheid wissen. Am Besten das Alte und das Neue Testament im Original lesen. Man soll künstlerisch begabt sein. Musikalisch. Handwerklich geschickt und hilfsbereit. Gut kochen können und gern backen. Musikalisch. Sportlich. Gut mit Geld umgehen…. Der Rucksack kann gar nicht groß genug sein. Es fällt einem immer noch was ein, was man können und machen sollte. Jetzt ist der Rucksack leer - und man kriegt das ganze Zeug gar nicht wieder rein. Muss man ja auch gar nicht! Gerade zu Pfingsten dürfen wir feiern, dass keiner alles haben und alles können muss, dass aber aus den vielen verschiedenen Einzelteilen und einzelnen Begabungen kein großes Chaos, sondern eine Gemeinschaft, die mit den ganzen Unterschieden, die sie hat, ein großes, buntes, zusammenhängendes Bild zeigt, dass von Gott so gewollt und sozusagen als buntes Bild gemalt worden ist. Paulus schreibt dazu im 1. Korintherbrief im 12. Kapitel:


Lesen 1. Kor 12,4-11

Es ist Gottes Geist, der die verschiedenen Einzelteile nicht zu einem zusammengewürfelten Chaos werden lässt. Er lässt ein, auf den ersten Blick vielleicht unübersichtliches, dann aber doch sehr schönes und buntes Bild entstehen. Es sind verschiedene Gaben - aber es ist ein Geist. Die Kraft Gottes, die Leben schafft, die Leben begleitet und erhält, diese Kraft bewirkt, dass jeder etwas kann. Es gibt keine Rangfolge von Gaben, die für eine Gemeinschaft von Glaubenden besonders wichtig oder angesehen sind. Leute, die sich gut in der Bibel auskennen sind wichtig. Und Leute, die gern anpacken auch. Das gehört zusammen. Nicht, weil einer alles können muss, sondern weil beides aus dem Geist Gottes entsteht und zu einer Gemeinschaft verbindet. Der, der sich gut in der Bibel auskennt, hat keinen Grund zu dem anderen zu sagen: „Dein Anpacken ist unwichtig, lern erstmal mehr in der Bibel“ und der, gern anpackt, keinen Grund zu sagen: „Du hast ja zwei linke Hände, lies lieber nicht so viel in der Bibel sondern tu was anständiges!“

Und so, wie es eben verschiedene Gaben gibt, gibt es auch verschiedene Aufgabenbereiche. Ämter nennt Paulus sie. „Es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr.“ Der Kirchenvorstand steht nicht über dem normalen Kirchenvolk, der Pfarrer nicht über dem Kirchenvorstand und der Bischof nicht über allem, und der Papst erst recht nicht. Es ist gut, dass es verschiedene Aufgabenbereiche gibt. Und es ist auch gut, dass man sich abspricht und klarmacht, wer für was Verantwortung hat. Und es ist auch nicht schlimm, wenn die einen viel und die anderen nicht so viel Verantwortung haben. Aber HERR ist nur einer. Vor ihm, vor Gott, durch dessen Geist wir leben, sind wir gleich wertvoll und gleich wichtig. Gerade weil wir unterschiedlich sind, unterschiedliche Aufgabenbereiche, Fähigkeiten und Verantwortungen haben. Eine alleinstehende Mutter, die mit viel Mühe für ihr Kind sorgt, ein älter gewordener Sohn, der sich um seine verwirrte und kranke Mutter kümmert - Warum sollten diese Ämter, wie Paulus sie nennt, diese Aufgabenbereiche, weniger wichtig sein als Pfarrer, Bischof oder Papst? Und bei dem allen gilt auch: Nicht jeder wird das Gleiche können. Auch die Kräfte und Möglichkeiten, etwas zu tun, sind nicht gleich. Gerade im Geist Gottes müssen wir uns immer wieder deutlich machen, dass Menschen gleich wichtig und gleich wertvoll sind, auch wenn sie alles andere als gleich sind. Sie sind nicht gleich stark, nicht zum Gleichen fähig, sie müssen und können auch nicht immer das Gleiche wissen, denken, fühlen und glauben. Wichtig ist, dass man die Ungleichheit nicht gegeneinander ausnutzt, sondern die ungleichen Fähigkeiten, die Gottes Geist schenkt, zusammenbringt und zusammen nützt. „In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller“, so drückt es Paulus aus. Und gerade im Bezug auf das Zusammenleben in der Gemeinde und auf Fähigkeiten, die eher geistliche und geistige sind, macht Paulus deutlich, dass es da im Sinne Gottes kein Oben und Unten, kein wichtig und unwichtig gibt. Dem einen ist’s gegeben von der Weisheit, dem anderen von der Erkenntnis zu reden. Weisheit, das hat viel mit praktischer Lebensklugheit zu tun, Erkenntnis eher mit Wissenschaft. Beides ist wichtig, aber keiner muss unbedingt beides zugleich sein, um wichtig zu sein. Erstaunlich finde ich, dass Paulus auch schreibt: „einem anderen ist Glaube gegeben in demselben Geist, einem andern die Gabe, gesund zu machen.“ Auch der glaube ist kein Verdienst langer und tiefschürfender Übungen, sondern ein Geschenk. Und scheinbar ist es auch für Gott in Ordnung, wenn nicht bei jedem und in jeder Lebenszeit der Glauben immer gleich stark und gleichgerichtet ist. Natürlich ist Glauben an Gott Grundvoraussetzung der christlichen Gemeinde. Aber es ist, auch im Sinn der verschiedenen Geistesgaben, völlig in Ordnung und für die Gemeinde belebend und bereichernd, wenn Menschen verschiedene Formen finden, ihren Glauben zu zeigen und zu leben. Dorns anders als Frau Eckhardt und Frau Brandenburger anders als Frau Oberländer. Manche sind eben auch im Glauben eine Art Vorbild, an dem sich andere orientieren können, andere haben andere gute Gaben. Wie vielleicht die Gabe, zur Gesundheit anderer beizutragen. Ich persönlich tue mich schwer, wenn es um Heilungen in Gottesdiensten geht. In vielen Pfingstgemeinden ist gerade das etwas Wichtiges: Das Menschen geheilt werden. Ich finde, dass Gebete ärztliche Kunst nicht ersetzen können und kein automatischer Gesundmacher da sind, wo Medikamente und Operationen versagen. Aber ich glaube auch, dass es wichtig ist, Gebet und Glaube nicht gering zu schätzen, wenn es ums gesund werden geht. Gerade die Aufzählung dieser Gabe des Gesundmachens als Geistesgabe macht auch deutlich, dass es Gott in seiner Leben schaffenden Kraft, dem Geist, nicht nur ums geistliche Wohl geht. Christliche Gemeinschaft ist immer auch dazu aufgerufen, sich mit den ganz konkreten Lebensumständen von Menschen zu befassen und sie, mit Gottes Hilfe, zu verbessern. Gottes Wille ist es, dass das Leben für alle gut wird.

Es geht nicht darum, mit seinen eigenen Gaben und Fähigkeiten möglichst zu glänzen, andere auszustechen und am Ende als der Beste, Angesehenste oder Größte dazustehen, sondern die eigenen Möglichkeiten zu entdecken und sie nicht nur für sich selbst, sondern für das Miteinander zu gebrauchen. Für ein Miteinander, das uns von Gott geschenkt ist. Du kannst was. Und mit dem, was du kannst, bist du wichtig. Das ist die Botschaft von Pfingsten. Du bist wichtig und wertvoll. Mit dem, was DU kannst. Und weil andere anderes können, musst du dich nicht für alles allein verantwortlich fühlen und es hängt auch nicht alles von dir allein ab. Es ist nicht schlimm, etwas nicht zu können. Es ist nur schlimm, zu glauben, nur dann gut zu sein, wenn man alles allein kann. Und es ist schlimm, wenn man aus Angst, nicht zu gelten, nur auf das schaut, was man nicht kann und darüber das übersieht, was man kann. Gottes Geist befreit zum Leben. Zum Leben als von Gott gewollter, geliebter Mensch. Mit ganz eigenen, wichtigen Fähigkeiten - und Lücken dabei. Zum Leben als Mensch in der Gemeinschaft mit anderen von Gott gewollten und geliebten Menschen, die in seinem Geist verbunden sind. Zum Leben als Mensch in Gemeinschaft mit Gott. Gehalten, gewollt auch da, wo eigene Fähigkeiten und eigene Kraft nicht reicht.

Amen

Schöne Aussichten?! - Predigt Exaudi, 4. Mai 08

Text: Römer 8,26-30

Liebe Gemeinde!

„Lass mal, Mutter, ich nehme dir das schon ab!“ Natürlich kann die alt gewordene Frau nicht mehr so schnell mit Einkaufstaschen die Treppe hoch wie früher. Und natürlich meint es die Tochter nur gut. Aber ich glaube, dass solche Sätze einen Stich versetzen können. Da wird selten gehört: „Du darfst dich jetzt mal ausruhen, das hast du dir verdient!“ Viel öfter glaubt man: „Du bist zu alt, zu schwach, du kannst nicht mehr mithalten!“ rauszuhören. Auch wenn’s nicht so gemeint ist. Als Kind und Jugendlicher muss oder musste man hören: „Das kannst du noch nicht, du bist zu jung, zu klein, werde erstmal was!“ Und dann als alter Mensch: „Das kannst du nicht mehr, du bist zu schwach, du hast das Beste doch hinter dir!“ Ausgesprochen oder unausgesprochen. Falls sich jetzt jemand dran stört, dass ich von Alten und alt gewordenen rede: Ich mag die modernen Umschreibungen nicht. Senioren, Best-Ager, Generation „Silberne Kirche“ - was für ein Quatsch! Als ob Alter eine Krankheit wäre, die man verstecken müsste und die unanständig wäre! Es ist keine Schande, alt zu werden, sondern es hat was mit Würde und Gnade zu tun. Es ist nichts, was versteckt werden muss, sondern Teil des Lebens. Und genauso gehört es auch dazu, Kindern und Jugendlichen zuzugestehen, dass sie nicht alles können und kennen müssen. Und als Erwachsener im sogenannten „besten Alter“ irgendwo zwischen Anfang 20 und Ende 50, da macht man sich doch auch was vor, wenn man glaubt, immer stark sein zu müssen und stark sein zu können. Wirklich stark ist nur der, der auch Schwächen eingestehen kann. Auch darum geht es hier im Römerbrief. Wenn Paulus schreibt: „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf. Wir wissen nicht, was wir beten sollen. Der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott“ dann meint Paulus nicht, dass wir Menschen völlig minderwertige Wesen wären, die selbst zum Beten zu dumm wären. Sondern er macht Mut nicht aufzugeben. Und es auch mit dem Gebet immer wieder zu wagen, Gott anzusprechen. Trotz aller Schwäche, die wir in jedem Alter immer wieder mal spüren. Eine Schwäche, die wir alle haben, ist die, dass wir natürlich nicht allwissend sind. Uns fehlt manchmal der Überblick. Und deshalb ist es schwer, das Richtige zu beten, zu bitten, zu sagen.

Und manchmal ist es nicht mangelnder Überblick, der uns die richtigen Worte nicht finden lässt, sondern echte Sprachlosigkeit. Um was kann ich denn Gott wirklich bitten, wenn ich an die unvorstellbaren Vorgänge von Gefangenschaft, Missbrauch, Lüge und Täuschung in Amstetten in Österreich denke? Aber auch, wenn man gar nicht zu solchen Extremfällen geht: Mir fehlen oft genug die Worte, wenn ich sehe, wie Menschen unter anderen leiden müssen. Oder wenn ich sehe, wie Menschen auf Kosten anderer leben. Wie arrogant die einen den anderen das Menschsein absprechen können. Und dann das Gefühl oder das Wissen, selbst nicht das Richtige getan zu haben oder dass man etwas besser hätte lassen sollen, aber der Versuchung nicht widerstehen konnte. Schwäche und Hilflosigkeit hat nicht nur was mit noch nicht ausgereiften oder schwindenden körperlichen Kräften zu tun. Auch Schwäche und Hilflosigkeit vor Gott.

Was Paulus hier deutlich macht ist, dass Gott uns sozusagen ein legales Doping verabreicht. Gott hat einen Übersetzer, der unser Gestammel oder unser Schweigen ins rechte Licht rückt und der dem, was wir nicht ausdrücken können, bei Gott Ausdruck verleiht. „Geist“, so nennt ihn nicht nur Paulus. „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“, so schreibt er. Damit ist kein Gespensterwesen gemeint, das uns aus dem Totenreich oder woher auch immer ungeahnte Kräfte verleihen würde. „Geist“, das ist die Leben spendende und Leben erhaltende Kraft, mit der Gott mitten in dieser Welt gegenwärtig ist. „Geist“, das ist die Kraft Gottes, durch die die Beziehung von Gott zu uns Menschen und von uns Menschen zu Gott lebendig erhält. Auch Jahrtausende nachdem Gott seinen Bund mit dem Volk Israel geschlossen hat und zweitausend Jahre, nachdem dieser Bund durch Jesus Christus weiter gemacht worden ist. Auch dann, wenn wir schwach sind und uns Worte fehlen, sind wir durch diese lebendige Kraft mit Gott verbunden.

Gott will uns Menschen aus unseren Zweifeln, Ängsten, aus unserem Gefühl, nicht genügen zu können, befreien. Der Alltag der Christen in Rom vor beinahe 2000 Jahren hat sich in einem sicher nicht von unserem Alltag in Marburg heute unterschieden: Auch wer noch so fest an Gott glaubt, der wird die Zweifel nicht los, dass er vielleicht doch nicht alles richtig machen wird. Auch wer noch so fest an Gott glaubt, der wird die Erfahrung machen, dass es Momente gibt, in denen man sich fragt, ob Gott überhaupt noch da ist. Und der wird die Erfahrung machen, dass es Menschen, die mit Gott nichts zu tun haben wollen, auf den ersten Blick nicht schlechter geht. Manchmal vielleicht im Gegenteil. Da scheinen sich Egoismus und Skrupellosigkeit direkt in barer Münze auszuzahlen. Und am Ende des Lebens wartet der Tod - in jungen Jahren oder alt und lebenssatt. Friedlich oder unter Schmerzen. Unabhängig davon, ob man zu Lebezeiten fest an Gott geglaubt hat oder nicht. Äußerlich lässt sich Glauben oder Gottvertrauen nicht wirklich messen und belegen. Auch der, der an Gott glaubt, braucht immer wieder Stärkung und Hilfe, damit die Hoffnung nicht verloren geht.

Wie kann Paulus dann schreiben „ Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen; denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.“? Ist es also doch so, dass am Erfolg im Leben ablesbar ist, ob jemand von Gott berufen ist, von ihm geliebt wird oder nicht? Muss man sich dann doch Sorgen machen, wenn einem als jemand, der an Gott glaubt, als Christ, im Leben was schief geht? Nein, Paulus ist kein Traumtänzer. Er weiß genau, und er hat es am eigenen Leib erfahren, dass dieses Leben auch für den Glaubenden nicht nur schöne Erfahrungen bereithält. Er hat es auch erlebt, dass er wegen seiner Armut verächtlich gemacht wurde und dass es auch Menschen in den Gemeinden gab, die sagten: „Wie kann man einem glauben, der so wenig angesehen ist?“ Und trotzdem hat aus seinem Leben Gutes entstehen können, trotzdem haben andere durch ihn Gutes erfahren. Wenn Paulus schreibt, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, dann ist damit kein Fensterplatz im Himmel als Belohnung gemeint. Eher, dass das Vertrauen in Gott, dass der Glaube an ihn ein gewisses Maß an Gelassenheit schenkt. Gelassenheit , die hoffentlich auch aus der Gewissheit entsteht, dass Gott sich nicht nur der Mächtigen und Starken bedient. Gelassenheit, weil ich weiß, dass ich nicht alles im Leben wirklich zu Ende bringen kann und dass ich für Gott auch dann wichtig und wertvoll bin, wenn etwas angefangen bleibt. Gelassenheit, die daraus entsteht, dass ich weiß, dass ich auch von falschen Wegen umkehren kann. Gelassenheit, weil ich weiß, dass ich mich nicht auf mich selbst verlassen muss.

Aber was nützt mir das, wenn’s mir jetzt schlecht geht? Was nützt mir das, wenn ich mich ausgenutzt fühle oder ganz und gar von Gott verlassen? Was nützt mir das, wenn ich das Gefühl habe, so ganz und gar nicht zu denen zu gehören, die Gott für etwas gutes vorherbestimmt hat? Und ist das nicht gefährlich, so oft davon zu reden, dass Gott irgendjemanden vorherbestimmt hat? Wenn sich jemand schlecht benimmt, andere ausnutzt und ausbeutet, kann der am Ende dann gar nichts dafür, weil Gott ihn nicht zum Guten vorherbestimmt hat?

Vorherbestimmung ist in der Bibel nie so, dass sie zum Bösen sein wird. Wenn Paulus von Vorherbestimmung redet, dann immer nur davon, dass es Gottes Wille ist, dass die Menschen zum guten, zum Leben kommen. Durch Jesus, seinen Sohn, dem er sozusagen möglichst viele Geschwister an die Seite stellen will. Paulus ist auch Realist. Er kennt den Spagat, den das Leben in dieser Welt bedeutet. Er weiß, dass es hier nicht das eindeutig gute, immer nur Gott gefällige Leben gibt. Und trotzdem hält er an der Botschaft vom Kreuz fest: Gott bietet den Menschen in Jesus Christus immer wieder das Gute, das Leben an. Gerade für die, die Schuld auf sich geladen haben, ist er da. Deshalb können wir niemandem absprechen, dass Gott nicht auch für ihn da wäre. Auch uns selbst nicht. Der Glaube an Gott macht mein Bankkonto nicht fetter, mein Aussehen nicht strahlender und meine Wohnung nicht luxuriöser. Aber er kann dazu führen, dass ich auch dann Geborgenheit finde, wenn ich mich völlig niedergeschlagen fühle, dass ich dann Stärke spüre, wenn ich mich schwach fühle und dann Wege finde, wenn alles ausweglos zu sein scheint. Nicht als Garantie, sondern als Hoffnung. Nicht nur für mich, sondern, im wahrsten Sinn des Wortes, für die Welt. Schöne Aussichten.

Amen

Wer, wenn nicht wir? 1. Sonntag nach Trinitatis 2008

Text: 5. Mose 6,4-9

Liebe Gemeinde!

Sie haben, ihr habt Glück gehabt, dass ihr ausgerechnet heute, am 25. Mai 2008, dem 1. Sonntag nach Trinitatis, in den Gottesdienst gekommen seid! Denn gerade eben habt ihr, haben sie so ziemlich die wichtigsten Worte gehört, die in der Bibel stehen! Als Jesus viele Jahrhunderte, nachdem diese Worte zum ersten Mal aufgeschrieben wurden, gefragt wurde: „Was ist denn das Allerwichtigste in der Bibel? Welche Gebote, welche Schriften muss ich unbedingt kennen?“, da hat er mit den ersten beiden Versen von dem Stück, das ich eben vorgelesen habe, geantwortet und gesagt: „und dazu noch das Gebot: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, dann hast du alles, was wirklich wichtig ist!“ Den Juden sind diese Worte bis heute so wichtig, dass sie sie auf kleine Rollen schreiben und in kleinen Behältern an ihre Haus- und Wohnungstüren hängen und in Kapseln an Gebetsriemen bei Gebeten wirklich auf der Stirn und an den Händen tragen. So soll immer wieder sichtbar daran erinnert und deutlich werden: Es ist der eine, einzige Gott, der uns und unser Leben bestimmt und begleitet.

Ich will jetzt keine religionsgeschichtliche Vorlesung halten. So interessant es ist, sich mit vielen Dingen aus der Geschichte dieser Verse zu beschäftigen: sie sind viel zu wichtig und wertvoll, um sie in der Vergangenheit zu lassen.

Wenn man die ersten beiden Worte, „Höre Israel“ weglässt und nur hört: „Der HERR ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft“: Würde man wirklich erkennen können, ob ein Jude, ein Christ oder gar ein Muslim diese Worte spricht? Gerade Glaubensbekenntnisse wurden und werden immer wieder als Waffe gegen andere benutzt: Ich bin so, ich gehöre dazu! Du bist anders! Werde so wie ich oder weg mit dir! Gerade heute und vielleicht auch gerade auf dem Richtsberg mit seinen vielen arabischstämmigen Einwohnern und Kopftuch tragenden Frauen finde ich es wichtig, sich klarzumachen, dass Bekenntnisse nicht nur trennen, sondern dass uns das Bekenntnis zur Einzigkeit und Einzigartigkeit Gottes eint. Christen und Juden, Christen und Muslime, Juden und Muslime. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass wir aus der Geschichte der Menschen wenig gelernt haben. Nachdem in der Anfangszeit ganz kurz Christen auch von Juden verfolgt wurden, haben sich Christen über Jahrhunderte und Jahrtausende millionenfach an Juden schuldig gemacht, weil sie sich für anders, besser, hielten - und vielleicht auch hier und da noch halten. Und im Verhältnis mit Muslimen ist auf allen drei Seiten zu spüren, wie viel Missverständnisse, Hass und Gewalt Religion auch produzieren kann und wie stark man sich immer wieder voneinander abgrenzt. Aber wir brauchen ja gar nicht bis zu anderen Religionen zu gehen. Geben wir Christen untereinander ein besseres Beispiel? Evangelische und Katholiken, Freikirchen, Christustreff und Gemeinschaften - in Deutschland führen wir zwar seit über 100 Jahren keine Kriege mehr um die richtige Konfession, aber insgeheim sind wir doch sehr oft immer noch davon überzeugt, dass die anderen weniger Recht haben als wir und wir doch eigentlich wirklich Kirche sind. Wobei sich tatsächlich immer wieder jede christliche Konfession dieses „Wir“ anziehen muss. Wir bekennen mit unserem Mund die Einzigkeit, die Unteilbarkeit Gottes, aber so richtig ernst nehmen wir das Bekenntnis oft nicht. MEIN Gott. So wie ich ihn denke, glaube fühle, das ist der EINZIGE. Zumindest der einzig wahre. Gott ist einzig und einzigartig. Und deshalb garantiert größer als alle meine Gedanken, Vorstellungen und Gefühle. Auch wenn ich noch so schlau oder noch so fromm bin. Eigentlich wollte ich das jetzt gar nicht so lang und breit erzählen, aber gerade auch hier wird für mich deutlich, dass wir Erwachsenen, mich eingeschlossen, uns immer wieder fragen müssen: Welches Beispiel geben wir eigentlich den Kindern und Jugendlichen unter uns? Für mich ist ein Vers aus dem, was wir aus der Bibel gehört haben, ganz wichtig. Über diese wichtigen Worte, über dieses Bekenntnis heißt es: „diese Worte sollst du deinen Kindern einschärfen.“

Prima, könnte ich jetzt als Pfarrer sagen, dann lass ich doch die Konfirmandinnen und Konfirmanden diese Worte auswendig lernen. Aber so sehr ich persönlich es wichtig finde, dass man etwas auswendig kann: hier ist das nicht so gemeint. Es geht nicht um totes, auswendig gelerntes Wissen, das man bei Bedarf aufsagen kann, um einen guten Eindruck zu machen. Wenn hier in der Bibel die Rede davon ist, dass man diese wichtigen Worte den Kindern einschärfen soll und dass man zu Hause und unterwegs, in jeder Lebenslage davon reden soll und sie auch auf der Hand und zwischen den Augen tragen soll, im Herzen ja sowieso, dann heißt das nicht unbedingt, dass man sie ständig murmeln soll, sondern wirklich mit eigenem Leben füllen. Mein Sehen, mein Tun und Lassen, mein Fühlen, mein Umgang mit mir und mit anderen, das soll alles getragen sein von dem Bekenntnis zu dem einen, einzigen Gott. „Kinder lernen auf drei Arten“, hat einmal Albert Schweitzer gesagt: „Erstens durch Vorbild. Zweitens durch Vorbild. Drittens durch Vorbild.“ Und da frage ich mich schon, ob wir, nicht nur in Bezug auf das Miteinander der Menschen, die den einen, einzigen Gott bekennen, ein gutes Vorbild sind. Ein Vorbild, das Lust macht, Gott zu lieben und an ihn zu glauben.

Gott ist einzig und einzigartig - und was ist mit dem Geld? Ich bin kein Träumer, der denkt, ein Zusammenleben von Menschen wie vor Tausenden von Jahren, als es noch kein Geld gab und man für sich war, jagte und tauschte, wäre was Tolles. Ich lebe gern hier und heute und das geht nicht ohne Geld. Aber wenn ich als Erwachsener vorlebe, dass Geld sehr wohl eine Rolle dabei spielt, welche Chancen man in der Schule bekommt, welche Behandlung man in dem Fall bekommt, dass man krank wird, wie man im Alter gepflegt wird, dann muss ich mich nicht wundern, wenn Maßstäbe verloren gehen und Geld zum Götzen wird. Und äußere Zeichen viel zu wichtig werden - die teure Kleidung, das dicke Auto, die Playstation oder das Kabelfernsehabo. Ich finde es traurig, wenn Kinder sich schämen zu sagen, auf welche Schule sie gehen, wenn die Schule eben kein angesehenes Gymnasium ist. Menschen sind unterschiedlich leistungsfähig, aber denen, die nicht in die Norm passen, werden Arbeitsmöglichkeiten vorenthalten und die werden als dumm oder faul hingestellt, bestenfalls als hilfsbedürftige, die man irgendwie betreuen muss. Aber wer gibt den Kindern und Jugendlichen denn das Gefühl, dass es kein leeres Gerede, dass für Gott jeder Mensch wichtig ist, unabhängig von seiner Schule und seinem Geldbeutel? Dass sie was können, gewollt und geliebt sind, auch wenn sie nicht ins Raster von Gymnasium oder Realschule passen? Ich finde es auch traurig, wenn man sich den Körper so zurechtschnippeln und aufpumpen lässt, dass er in Scheinideale passt - aber wenn Alter, graue Haare, Falten und Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit von Erwachsenen als Katastrophe hingestellt werden und Opa auch mit 85 noch das Sportabzeichen super bestehen muss, dann ist das zwar im Einzelfall schön, dass ein Mensch so gesund ist, dass er das schafft, aber man muss sich dann auch nicht wundern, dass alles, was nicht jugendlich und sportlich ist, wegoperiert, weggefärbt und verleugnet wird. Und im Glauben: Bete ich denn als Erwachsener wirklich: „Dein Wille geschehe!“? Kann ich mich wirklich Gott anvertrauen, oder will ich seinen Willen nur so lange haben, wie er meinem Willen nicht widerspricht und mir hilft, gut und gesund dazustehen, als erster und Bester? Kann ich mich Gott anvertrauen, oder lebe ich vor, dass ich am Ende nur meiner Stärke, meinen Fähigkeiten, meinem Geld vertraue und Gott nur da Platzhalter ist, wo ich noch nicht oder nicht mehr genug eigene Kraft habe? Lasse ich Gott einzig und einzigartig sein oder mache ich ihn so, wie ich ihn will oder brauche? Ich will nicht meckern. Ich will auch nicht sagen, dass wir Erwachsenen alles oder zu viel falsch machen. Und erst recht will ich nicht den Eindruck erwecken, dass wir jetzt, Erwachsene, Jugendliche Kinder, loslaufen und alles irgendwie MACHEN müssen. Denn eins ist mir an diesen Worten aus der Bibel besonders wichtig. Das wir das erste Wort nicht vergessen. „Höre“. Ich darf mich auch mal zurücklehnen und einfach mal zuhören. Als Erwachsener, als Jugendlicher, als Kind. Aus dem Zuhören und hinhören wächst die Kraft, Gott zu bekennen, im Sinne des einen, einzigen und einzigartigen Gottes zu lieben, zu glauben, zu hoffen, zu handeln. Nicht von vornherein glauben, alles zu wissen, zu können, sondern hinhören. Auch auf das, was Menschen nicht sagen können. Auch auf das, was Gott uns, manchmal unter ganz vielen menschlichen Worten verborgen, sagen will. Erst hinhören, zuhören, erst sich Zeit dafür gönnen, dann handeln - damit wir die Chance haben nicht unseren Willen und unsere Begrenztheit mit Gottes Willen zu verwechseln. Damit wir auch die Kinder und Jugendlichen wahr- und ernstnehmen und dieses Gefühl, sich auf Gott als eigener Mensch wirklich verlassen zu können, weitergeben und ihnen nicht unsere Vorstellungen von Gott und dem was richtig ist, einfach überstülpen. Damit sie die Chance haben, Gott wirklich als den einen und einzigen zu entdecken und nicht nur auswendig wiederholen, was vorgesagt ist. Damit auf den verschiedenen Wegen, die wir gehen, der eine und einzige Gott erfahrbar wird und erlebt werden kann. Amen.

1+1+1=3? Predigt Trinitatis 08, 18.05.08, Reihe VI


Text: 2. Korinther 13,11-13, Begrüßung Konfis 08/09

Liebe Gemeinde!

Haben sie, habt ihr heute Morgen schon geküsst? Wenn nein, dann wäre ja jetzt die perfekte Gelegenheit, das nachzuholen. Schließlich haben wir es ja gerade aus der Bibel gehört: „Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss!“ Das schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Und weil nicht nur ich finde, dass die Bibel kein verstaubtes Buch ist, das nur etwas über die Zeit vor 2000 und mehr Jahren erzählt, sondern weil sie auch ganz viele Wahrheiten über das Leben heute enthält, wäre das doch auch heute mal überlegenswert: Grüßt einander mit dem heiligen Kuss!

Keine Angst, ich will jetzt nicht zu einer Massenknutscherei im Gottesdienst aufrufen. In Frankreich, Spanien, der Türkei und in manchen anderen Ländern wäre das vielleicht kein so großes Problem wie bei uns. Da ist die küssende Begrüßung normal. Hier bei uns finde ich es, zum Beispiel auch in Konfer, immer wieder interessant zu beobachten, wie Menschen sich begrüßen. Mit einem Kuss begrüßt man diejenigen, mit denen man befreundet ist. Oder die Familie. Ein Kuss drückt Nähe aus. Man vertraut einander und ist miteinander vertraut. Und da berührt sich unsere Wirklichkeit in Marburg im Mai 2008 mit der Geschichte der Menschen in Korinth, an die Paulus vor langer Zeit diese „Kusszeilen“ geschrieben hat. „Übrigens, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, bewahrt Zusammenhalt und Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss!“ Natürlich fällt einem heute auf, dass Paulus die Schwestern nicht erwähnt. Mit den Frauen hatte Paulus so seine Schwierigkeiten. Aber das ist gar nicht der springende Punkt. Es geht um Nähe und Freundschaft, die man sich schenkt. Um Nähe und Freundschaft, die auch Streit und Kritik aushalten. Schon im 1. Brief, den Paulus an die Gemeinde in Korinth schreibt, und erst recht im 2. Brief geht es um ganz viel Streit zwischen Paulus und der Gemeinde und zwischen den Menschen der Gemeinde untereinander. Da haben die Reichen in der Gemeinde die Armen blamiert, da gab’s Streit darum, welche Regeln man befolgen muss und da stand dann nicht mehr der Glaube an Gott im Mittelpunkt, sondern die Rechthaberei, welcher Prediger oder Missionar denn mit seiner Auslegung die meisten Gemeindemitglieder auf seine Seite ziehen kann. Ein total zerstrittener Haufen, noch dazu auch mit einem verzweifelten Paulus zerstritten. Und dann das. Ausgerechnet den Leuten, bei denen man den Eindruck hat, die würden sich am liebsten an die Gurgel gehen, wird Grund zur Freude nahe gelegt und empfohlen, sich mit einem Kuss zu begrüßen. Die Nähe, die das ausdrückt, die geht trotz allem Streit nicht kaputt, weil sie eine Nähe ist, die von Gott geschenkt und gestiftet wird. Kommt euch nahe, nehmt euch wahr! Denn Gott ist euch doch mit seiner Liebe schon längst nahe gekommen. Aller Streit kann diese Liebe nicht kaputt machen. Küsse können missbraucht werden, klar. In der Bibel gibt es den Judaskuss, durch den Jesus verraten wird. Und ich glaube auch im Alltag können viele ein Beispiel finden, wo sie selbst erlebt haben, dass ein Kuss nicht freiwillig gegeben wurde und kein Ausdruck von Nähe, sondern von Zwang oder missbrauchter Macht war. Aber trotzdem können auch diese schlechten Beispiele das Gute nicht kaputt machen.

Es gibt eine Nähe, eine Verbindung von Menschen untereinander, die hält auch schlimmen Streit und große Meinungsverschiedenheiten aus. Gerade deshalb finde ich, dass der Predigttext auch richtig gut zu dem Anlass heute passt. Einmal natürlich zur Begrüßung der neuen Konfis. Ich will nicht, dass ihr euch untereinander ständig abknutscht und ich werde euch auch garantiert nicht mit dem unheiligen Pfarrerkuss begrüßen. Aber ich finde es toll, dass hier deutlich wird: man kann auch verschiedener Meinung sein, sich streiten, aber trotz allem gehört man zusammen und der andere bleibt Bruder, Schwester, Mensch, auch wenn er oder sie mal total anderer Meinung ist. Weil Gottes Liebe größer und stärker ist. Sie ist das, weil Gott nicht ein für allemal immer gleich ist, ein ferner Block, der seit Jahrtausenden irgendwo unverändert im Jenseits drauf wartet, dass Menschen irgendwelche merkwürdigen Dinge anstellen um nach dem Tod in den Himmel zu kommen, sondern weil Gott in Bewegung ist. Auf uns Menschen zu, mit uns Menschen, damit wir auch vor dem Tod auf gute Art leben können.

Gott ist Gott in Bewegung - das feiern wir nicht nur, weil heute eine neue Konfirmandengruppe begrüßt wird, die sicher hoffentlich manchmal stillsitzt, aber die ganz bestimmt auch Spaß an Bewegung haben wird, sondern weil heute auch einer der unbekanntesten kirchlichen Feiertage ist. Trinitatis - das Fest der Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit Gottes. Gott ist Gott in Bewegung. Nicht nur auf eine ganz bestimmte Art lässt er sich von Menschen erfahren und begegnet ihnen, sondern lebendig, immer wieder neu. Als, wie es die Tradition sagt, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das sind keine drei Götter, sondern das ist eins. Dinge, die wir als unterschiedlich sehen und wahrnehmen, gehören doch ganz tief und fest zusammen. Für mich lässt sich beides, Konfer und die Dreieinigkeit, ganz gut mit dem hier (Ü-Ei hochhalten) vergleichen.

Fangen wir mal mit Konfer an. Da ist zuerst die Verpackung, die Lust machen soll, zuzugreifen. Bunt, mit einer netten Schrift. Vielleicht ist das in Konfer die Aussicht, ein schönes Fest am Ende zu bekommen mit vielen Geschenken und auch Geld. Ja, das ist für viele so der äußere Anlass, zuzugreifen und zu kommen. Wenn man es dann auspackt, dann sieht das erstmal nicht so bunt aus. Man weiß vielleicht auch gar nicht so richtig, was man damit anfangen soll. Aber wenn man mitmacht, reinbeißt, nicht nur zuguckt, dann stellt man fest: kann ja ganz lecker sein! Jedenfalls gab es ja zum Beispiel im letzten Jahrgang einige, die jetzt mitarbeiten möchten und eigentlich gibt es in jedem Jahrgang immer wieder welche, die sagen: war ne gute Zeit. Aber es steckt noch mehr dahinter. Man kann nicht nur genießen, man muss auch selber Hand anlegen und was auspacken. Man sieht am Anfang nicht, was am Ende rauskommt. Und nicht immer gefällt einem das, was rauskommt. Aber das Ü-Ei Geschenk kann man vielleicht einem anderen schenken, der sich drüber freut - und so hat es auch im Teilen Sinn. Auch mit Konfer. Selbst wenn ich jetzt nicht selber was damit anfangen kann - vielleicht kann ich später viel mehr damit anfangen. Oder ich erzähle jemandem was davon, Eltern, Geschwistern, Bekannten - und denen wird plötzlich etwas wichtig, was ich für nutzlos hielt. Und was ist jetzt das Entscheidende am Ü-Ei? Das Entscheidende ist, das alles zusammengehört. Jedes für sich hat seinen Sinn, aber erst dadurch, dass verschiedene Sachen zusammenkommen, wird es zu etwas Besonderem und Guten. Ein Ü-Ei ohne Schokolade ist kein Ü-Ei und eins ohne Spielzeug auch nicht. Manchmal finde ich die Schokolade wichtiger, manchmal das Spielzeug. So wird das auch in Konfer sein. Es ist nicht immer jedem und zu jeder Zeit das Gleiche wichtig.

Und so ist das auch mit Gott. Gott macht sich auf ganz unterschiedliche Art auf den Weg zu Menschen, er wird auch manchmal unterschiedlich wahrgenommen, aber in allem ist das doch der eine und derselbe Gott. Vater, Sohn, Heiliger Geist - drei sind eins. Im Rechnen scheint das unlogisch zu sein, wenn ich losrechne: 1+1+1=1. Klar, da gehört jetzt die „3“ hin. Aber wenn ich noch mal auf Paulus höre, dann kommt mir noch was anderes in den Sinn. Es muss nicht unlogisch sein, dass aus Dreien eins wird. Paulus schreibt: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus - Im Menschen Jesus begegnet Gott Menschen. Gnädig. Das heißt: er nagelt sie nicht auf ihre Schuld und das, was sie falsch gemacht haben fest, sondern er schenkt ihnen die Chance, neu anzufangen. Er lässt sich als Mensch am Kreuz festnageln, damit wir Menschen frei werden von der Angst vor dem Tod, von der Angst zu versagen. Gnade.

Und die Liebe Gottes - Liebe, die auch den Zorn kennt, weil sie sich nicht mit Lieblosigkeiten zufrieden gibt. Liebe, die den Menschen und allem, was ist gilt. Weil alles, was ist, auch das, was wir Umwelt nennen, seinen letzten Grund in Gott hat. Liebe, die da war, bevor Gott sich in Jesus Christus sichtbar gemacht hat und die auch da ist, wo Menschen die Gnade Jesu nicht kennen. Liebe.

Und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes - Verbindung über alle Grenzen hinweg. Verbindung von Menschen untereinander und Menschen mit Gott. Das Zulassen verschiedener Sprachen, verschiedener Fähigkeiten und Möglichkeiten der Menschen im Glauben und Handeln. Die Vielfalt als Chance und nicht als Bedrohung. Vielfalt als Ergänzung dessen, was ich kann. Zusammengehalten von Gott als Heiliger Geist. Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Und schon ist aus drei Dingen auch logisch eine Einheit entstanden. Natürlich kann man jede Seite für sich betrachten. Aber am Ende gehört es zusammen und findet seinen Sinn darin, dass die Vielfalt in der Größe Gottes, die größer ist als alles, was wir uns vorstellen können, zusammengehalten wird. Eins kann am Ende ohne das andere nicht sein. Auch wenn es manchmal Konkurrenz, Streit, Missverständnisse und unterschiedliche Wahrnehmungen gibt. Diese Erfahrung wünsche ich nicht nur den neuen Konfis, sondern auch uns als Gemeinde, als Teil der einen, großen Gemeinschaft der geliebten Kinder Gottes. Damit wir aus vollem Herzen uns und der Welt wünschen können: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen“. Das wir uns nahe fühlen und annähern. Untereinander und Gott. Ob wir uns dabei jetzt küssen oder nicht. Amen